Ein Pferd ĂŒberm Sprung. DafĂŒr braucht das Pferd Energie, doch wie viel Energie braucht ein Pferd eigentlich?

Wie viel Energie braucht dein Pferd wirklich?

Wie viel Energie braucht dein Pferd wirklich – und wovon hĂ€ngt das ab? Der Energiebedarf beim Pferd ist keine feste GrĂ¶ĂŸe, sondern wird von Körpergewicht, Leistung, Haltung und Stoffwechsel beeinflusst. Ob Freizeitpferd, Sportler oder Zuchtstute: Nur eine bedarfsgerechte Energiezufuhr sichert Gesundheit, Leistungsbereitschaft und Wohlbefinden. In diesem Artikel erfĂ€hrst du, wie du den Energiebedarf deines Pferdes prĂ€zise berechnest, welche Energiequellen geeignet sind und wie du die Ration individuell anpassen kannst – fundiert, praxisnah und verstĂ€ndlich.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Energie in der PferdefĂŒtterung?

Energie ist die FĂ€higkeit eines Organismus, Arbeit zu verrichten – sei es in Form von Bewegung, WĂ€rmeproduktion, Verdauung oder zellulĂ€ren Prozessen. In der PferdefĂŒtterung beschreibt Energie die biologisch nutzbare Kraft, die aus Futterbestandteilen freigesetzt wird und alle lebensnotwendigen Funktionen ermöglicht.

FĂŒr Pferde ist eine bedarfsgerechte Energieversorgung nicht nur eine Frage der LeistungsfĂ€higkeit, sondern auch der Gesundheit und des Wohlbefindens. Vom gemĂŒtlichen Freizeitpferd ĂŒber das leistungsambitionierte Turnierpferd bis hin zur trĂ€chtigen Zuchtstute – der Energiebedarf variiert stark je nach Nutzung, Gewicht, Stoffwechsel und Umweltbedingungen.

Doch wie viel Energie braucht ein Pferd wirklich? Woraus stammt sie, wie wird sie im Körper verarbeitet – und woran erkennst du, ob die Ration passt? Dieser Artikel beleuchtet die physiologischen Grundlagen des Energie- und Leistungsbedarfs beim Pferd, gibt dir praxisnahe Berechnungsgrundlagen an die Hand und zeigt, wie du ĂŒber die Wahl geeigneter Futtermittel gezielt Einfluss auf die Energiezufuhr nehmen kannst.

Energiequellen im Pferdefutter

Um den Energiebedarf eines Pferdes zu decken, greift sein Körper auf unterschiedliche NĂ€hrstoffe zurĂŒck – allen voran Kohlenhydrate, Fette und in AusnahmefĂ€llen auch Proteine. Die Art der Energiequelle beeinflusst dabei nicht nur die Menge der bereitgestellten Energie, sondern auch die Geschwindigkeit, mit der sie verfĂŒgbar ist, sowie den Stoffwechselaufwand.

Kohlenhydrate: Hauptlieferant fĂŒr Energie

Kohlenhydrate sind die wichtigste Energiequelle in der PferdefĂŒtterung. Man unterscheidet:

  • Nicht-strukturierte Kohlenhydrate (NSC): Dazu zĂ€hlen Zucker, StĂ€rke und Fruktane. Sie werden im DĂŒnndarm enzymatisch verdaut und liefern schnell verfĂŒgbare Energie. Besonders in Kraftfuttern wie Hafer oder Mais enthalten.
  • Strukturierte Kohlenhydrate: Zellulose und Hemizellulose, die im Dickdarm mikrobiell fermentiert werden. Sie stammen vorwiegend aus Heu, Gras und RĂŒbenschnitzeln und liefern Energie in Form von flĂŒchtigen FettsĂ€uren (VFA), die langsamer, aber kontinuierlicher verfĂŒgbar sind.

Ein Übermaß an NSC, insbesondere bei empfindlichen Pferden, kann das Risiko fĂŒr Koliken, Hufrehe oder MagengeschwĂŒre erhöhen.

Fette: Energie mit hoher Dichte

Fette liefern etwa 2,5-mal mehr Energie pro Gramm als Kohlenhydrate. Sie werden vor allem bei Sportpferden eingesetzt, um den Energiegehalt der Ration zu steigern, ohne den StÀrkeanteil zu erhöhen. Vorteile:

  • Schonung des Magen-Darm-Trakts
  • Geringere WĂ€rmeproduktion bei Belastung
  • Verbesserung der FellqualitĂ€t
  • Stabilisierung des Blutzuckerspiegels

Geeignete Quellen sind z. B. Pflanzenöle, Reiskleie oder Leinsamen.

Proteine: Nur im Notfall Energiequelle

Proteine dienen primĂ€r dem Aufbau von Gewebe, Enzymen und Hormonen. Ihre Nutzung als Energiequelle erfolgt nur bei unzureichender Versorgung mit Kohlenhydraten und Fetten – ein Zustand, der zu Muskelabbau fĂŒhren kann. Eine gezielte Proteinverwertung zur Energiegewinnung ist daher nicht effizient und stoffwechselbelastend.

Energiebedarf: Erhaltung und Leistung

Damit ein Pferd gesund bleibt, sich wohlfĂŒhlt und seine Aufgaben erfĂŒllen kann – sei es als Freizeitpartner, Sportpferd oder Zuchtstute –, muss sein Energiebedarf gedeckt sein. Dieser setzt sich grundsĂ€tzlich aus zwei Komponenten zusammen: dem Erhaltungsbedarf und dem zusĂ€tzlichen Bedarf durch Arbeit oder besondere Lebensphasen. Eine ausgewogene FĂŒtterung berĂŒcksichtigt beide Anteile sorgfĂ€ltig.

Energie fĂŒr die Grundfunktionen des Körpers

Der Erhaltungsbedarf beschreibt die Energiemenge, die ein Pferd tĂ€glich benötigt, um grundlegende Körperfunktionen aufrechtzuerhalten. Dazu zĂ€hlen Atmung, Herzschlag, Körpertemperatur, Verdauung, Zellregeneration und Stoffwechsel. Selbst ein Pferd in vollstĂ€ndiger Ruhe verbraucht Energie – allein dafĂŒr, dass der Körper funktioniert. Dieser Bedarf wird also unabhĂ€ngig von Training oder Bewegung stets gebraucht.

Was beeinflusst den Erhaltungsbedarf?

Wie hoch dieser Grundbedarf ausfÀllt, hÀngt von mehreren Faktoren ab:

  • Körpergewicht: Schwere Pferde benötigen mehr Energie als leichte.
  • Rasse und Stoffwechseltyp: Araber etwa haben oft einen „sparsameren“ Stoffwechsel als WarmblĂŒter.
  • Haltung: Offenstallpferde verbrauchen mehr Energie zur Thermoregulation als Boxenpferde.
  • Klima: KĂ€lte erhöht den Energieverbrauch deutlich.
  • FĂŒtterung: Verdauung selbst ist energieaufwĂ€ndig, vor allem bei rohfaserreichen Rationen.

FĂŒr ein durchschnittliches Reitpferd mit etwa 500 kg liegt der Erhaltungsbedarf bei rund 68 bis 70 Megajoule pro Tag.

ZusÀtzlicher Bedarf bei Arbeit und besonderen Anforderungen

Sobald ein Pferd aktiv gefordert wird, kommt ein Leistungsbedarf hinzu. Dieser umfasst die Energie, die das Tier fĂŒr Bewegung, Muskelarbeit, TrĂ€chtigkeit, Laktation oder Wachstum zusĂ€tzlich verbraucht. Auch die Umwelt kann dabei eine Rolle spielen – Pferde, die bei großer KĂ€lte aktiv sind, benötigen mehr Energie, um sich warmzuhalten.

Die Höhe dieses Zusatzbedarfs wird durch die IntensitÀt der Belastung bestimmt. Dabei unterscheidet man in der Praxis meist zwischen leichter, mittlerer, schwerer und sehr schwerer Arbeit. Diese Kategorien werden genutzt, um den Gesamtbedarf eines Pferdes zu berechnen. Als Richtwert gilt: Je schwerer die Arbeit, desto höher der Zuschlag zum Erhaltungsbedarf.

Beispielhafte Berechnung

Ein Pferd mit 500 kg Körpergewicht hat einen Erhaltungsbedarf von ca. 68 MJ. Wird es regelmĂ€ĂŸig in mittelschwerer Arbeit eingesetzt (z. B. Springen, Dressurtraining), liegt der Energiebedarf bei etwa dem 1,4-Fachen des Erhaltungsbedarfs – also rund 96 MJ tĂ€glich. Bei intensiver Belastung, etwa im Galoppsport oder Distanzreiten, steigt der Bedarf schnell auf ĂŒber 110 MJ pro Tag.

Bedarf ist keine Konstante

Der Energiebedarf eines Pferdes ist nicht statisch, sondern dynamisch. Haltung, Klima, Training, Alter und Gesundheitszustand beeinflussen ihn erheblich. Nur wenn Erhaltungs- und Leistungsbedarf gemeinsam betrachtet werden, lĂ€sst sich eine Ration planen, die weder unter- noch ĂŒberversorgt – sondern das Pferd in jeder Lebenslage optimal unterstĂŒtzt.

Klassifikation nach Arbeitsleistung

Nicht jedes Pferd wird gleich beansprucht – und nicht jede Bewegung erfordert denselben Energieeinsatz. Deshalb wird in der PferdeernĂ€hrung die Arbeitsleistung in Klassen unterteilt, um den Energiebedarf realistisch einschĂ€tzen und berechnen zu können. Diese Einteilung dient als Grundlage fĂŒr die Anpassung der FĂŒtterung an das tatsĂ€chliche AktivitĂ€tsniveau des Tieres.

Warum eine Einteilung nach Arbeit notwendig ist

Ein Pferd, das ausschließlich auf der Weide steht, hat einen deutlich geringeren Bedarf als ein Sportpferd im tĂ€glichen Training. Auch zwischen verschiedenen Disziplinen – etwa Dressur, Springen, Westernreiten oder Distanzsport – bestehen erhebliche Unterschiede im Energieverbrauch. Um die Ration sinnvoll zu planen, muss bekannt sein, wie viel Energie zusĂ€tzlich zur Erhaltung fĂŒr die Arbeit benötigt wird.

Die vier Arbeitstypen

Zur Bewertung der Belastung werden Pferde ĂŒblicherweise in vier Kategorien eingeteilt. Diese basieren auf Dauer, IntensitĂ€t und Art der Bewegung sowie auf der Menge an zusĂ€tzlichem Stress (z. B. Transport, Turniere).

Arbeitsstufe Multiplikator Beispiele fĂŒr Einsatzbereiche
Leichte Arbeit 1,2 SpaziergÀnge, Bodenarbeit, leichtes Reiten
MĂ€ĂŸige Arbeit 1,4 Dressur, Springen, regelmĂ€ĂŸiges Training
Schwere Arbeit 1,6 Galopptraining, Vielseitigkeit, Westernsport
Sehr schwere Arbeit 1,9 Distanzritte, MilitÀrreiterei, Hochleistung

Die angegebenen Multiplikatoren beziehen sich auf den Erhaltungsbedarf, der damit entsprechend vervielfacht wird.

Ein Beispiel aus der Praxis

Ein Pferd mit 500 kg Körpergewicht und einem Erhaltungsbedarf von rund 68 MJ tĂ€glich wird regelmĂ€ĂŸig im Distanzsport eingesetzt. Es zĂ€hlt damit zur Kategorie „sehr schwere Arbeit“. Der Gesamtbedarf betrĂ€gt:

68 MJ × 1,9 = 129,2 MJ pro Tag

Diese Energiemenge muss ĂŒber die tĂ€gliche Ration aus Heu, Kraftfutter und ggf. ErgĂ€nzungsfuttermitteln gedeckt werden. Andernfalls droht ein Defizit, das sich mittelfristig in Form von Leistungsabfall, Gewichtsverlust oder Erschöpfung bemerkbar machen kann.

Bewegung ist nicht gleich Bewegung

Wichtig ist: Nicht nur die Dauer, sondern vor allem die IntensitĂ€t der Arbeit bestimmt den Energiebedarf. Ein Pferd, das tĂ€glich zwei Stunden im ruhigen Schritt gefĂŒhrt wird, benötigt kaum mehr Energie als im Erhaltungszustand. Hingegen kann schon eine halbe Stunde intensives Galopptraining den Bedarf deutlich anheben.

Auch psychischer Stress – etwa durch hĂ€ufige Stallwechsel oder Transport – kann den Energieumsatz steigern. Deshalb sollten nicht nur „sichtbare“ Belastungen in die EinschĂ€tzung einfließen, sondern auch Faktoren wie Aufregung, NervositĂ€t und UmgebungseinflĂŒsse.

Berechnung des Energiebedarfs

Die Kenntnis des Energiebedarfs allein reicht nicht aus – um eine passende Ration erstellen zu können, muss dieser Bedarf quantifiziert und auf das Futterangebot abgestimmt werden. Die Berechnung orientiert sich am Körpergewicht, der Arbeitsleistung und der verwendeten Energieeinheit. Dabei kommen in der Praxis meist Megajoule (MJ) oder Megakalorien (Mcal) zur Anwendung. FĂŒr ein prĂ€zises FĂŒtterungsmanagement ist eine möglichst genaue EinschĂ€tzung unerlĂ€sslich.

Der erste Schritt: Körpergewicht richtig einschÀtzen

Viele Pferdehalter unterschĂ€tzen das Gewicht ihres Tieres. FĂŒr die Berechnung ist es jedoch zentral, da der Erhaltungsbedarf direkt davon abhĂ€ngt. Neben einer Pferdewaage können SchĂ€tzformeln helfen:

(Brustumfang in cm)ÂČ Ă— KörperlĂ€nge in cm / 11.877 = Gewicht in kg

Diese Formel liefert einen NĂ€herungswert, der bei der Rationsplanung verwendet werden kann.

Grundformel zur Berechnung des Gesamtbedarfs

Die gÀngige Formel zur Berechnung des tÀglichen Energiebedarfs lautet:

(1,4 + 0,03 × Körpergewicht in kg) × Arbeitsfaktor = Energiebedarf in Mcal pro Tag

Zur Umrechnung in Megajoule gilt:

1 Mcal = 4,183 MJ

Beispielrechnung:

Ein 550 kg schweres Warmblutpferd wird regelmĂ€ĂŸig auf A-Niveau in Dressur und Springen gearbeitet, also mittelschwer belastet. Daraus ergibt sich:

  • Erhaltungsbedarf:
    1,4 + (0,03 × 550) = 18 Mcal
    18 Mcal × 4,183 = etwa 75,3 MJ
  • Arbeitsfaktor bei mĂ€ĂŸiger Arbeit: 1,4
  • Gesamtbedarf:
    75,3 MJ × 1,4 = etwa 105,5 MJ pro Tag

Energiegehalte im Futter berĂŒcksichtigen

Die berechnete Energiemenge allein sagt noch nichts darĂŒber aus, wie viel und welches Futter benötigt wird. Denn je nach Futterart variiert der Energiegehalt stark:

  • Heu: 7–9 MJ/kg Trockensubstanz
  • Hafer: ca. 11–12 MJ/kg
  • Mais: ca. 13–14 MJ/kg
  • Pflanzenöle: ĂŒber 30 MJ/kg

Eine bedarfsgerechte Ration kombiniert meist energieĂ€rmere Grundfuttermittel wie Heu mit gezielt eingesetzten energieverdichteten Kraftfuttern oder Ölen, um den Bedarf zu decken, ohne die Verdauung zu ĂŒberlasten.

Individuelle Anpassung ist entscheidend

Die berechneten Werte stellen Orientierungshilfen dar – kein Pferd ist wie das andere. Futteraufnahme, Verdauungseffizienz, Temperament, Trainingszustand und Gesundheitslage können den tatsĂ€chlichen Bedarf erhöhen oder senken. Deshalb ist es wichtig, die Ration regelmĂ€ĂŸig zu ĂŒberprĂŒfen und anhand von Körperzustand, Leistung und Verhalten gegebenenfalls anzupassen.

Fallbeispiel: Magenpferd Ludwig

Ludwig ist ein 9-jĂ€hriger Warmblut-Wallach mit einem geschĂ€tzten Körpergewicht von 530 kg. Er zeigt eine empfindliche Magen-Darm-Reaktion, weshalb bei seiner FĂŒtterung besonders auf eine magenschonende, faserbetonte Rationsgestaltung geachtet werden muss. Neben seiner Empfindlichkeit bringt Ludwig ein vielseitiges Bewegungsprofil mit.

Er wird drei Mal pro Woche leicht geritten – meist im Schritt und Trab. An den ĂŒbrigen Tagen bewegt er sich regelmĂ€ĂŸig in der FĂŒhrmaschine, auf dem Paddock, auf der Wiese und bei leichter Bodenarbeit, Longieren sowie Doppellonge. Insgesamt zeigt Ludwig eine gleichmĂ€ĂŸige, aber eher niedrige bis moderate körperliche Belastung, die sich im Bereich leichte Arbeit einordnen lĂ€sst.

Basisdaten:

  • 9 Jahre
  • 530kg
  • Warmblut Wallach
  • Magenprobleme (Kolik, MagengeschwĂŒr, gelegentlich Kotwasser bei Heu-Lage)
  • Leichte Arbeit
  • Haltung: Box mit Paddock und Weidegang

Auf Basis seines Körpergewichts berechnet sich der tÀgliche Energiebedarf wie folgt:

  • Erhaltungsbedarf:
    1,4 + (0,03 × 530) = 17,3 Megakalorien pro Tag
    → umgerechnet = 72,4 Megajoule pro Tag
  • Gesamtbedarf bei leichter Arbeit:
    72,4 MJ × 1,2 = etwa 94 MJ tĂ€glich

Damit Ludwig sowohl seine Grundfunktionen als auch die alltĂ€gliche Bewegung abdecken kann, sollte seine Ration tĂ€glich etwa 94 Megajoule verdauliche Energie enthalten. Da er zu Magenproblemen neigt, ist es besonders wichtig, dass die Energie nicht ĂŒber große Mengen Getreide oder stĂ€rkereiches Kraftfutter, sondern ĂŒber eine strukturreiche, magenfreundliche Basis zugefĂŒhrt wird.

Geeignete Komponenten sind z. B.:

  • Hochwertiges Heu (mind. 1,5 kg pro 100 kg Körpergewicht)
  • StĂ€rkereduziertes Kraftfutter (z. B. faserbasiert, haferfrei)
  • Öle oder ölhaltige Einzelfuttermittel (Leinöl, Reiskleie) als zusĂ€tzliche Energiequelle
  • Möglichst kleine, hĂ€ufige Portionen zur Pufferung der MagensĂ€ure

Bei einem Pferd wie Ludwig steht nicht nur die Energiedichte im Fokus, sondern auch die Verdauungssicherheit und Magengesundheit. Seine Ration muss daher gleichermaßen bedarfsgerecht wie vertrĂ€glich sein – mit dem Ziel, Leistung zu ermöglichen, ohne die empfindliche Magen-Darm-Situation zu belasten.

Futterempfehlung angepasst an den Energie Bedarf

Futtermittel Tagesmenge Energiegehalt (MJ/kg) Energiebeitrag (MJ) Bemerkung
Heu (strukturreich) 11,5 kg 9,0 103,5 Basisfutter, rohfaserreich, puffernd
StrukturmĂŒsli (haferfrei, wenig StĂ€rke) 0,5 kg 10,0 5,0 energisch, aber magenschonend, gut verdaulich
Heucobs (mit Wasser eingeweicht) 0,3 kg 7,86 2,36 zusĂ€tzliche Rohfaser und Wasserzufuhr
Mash (stĂ€rke-/melassearm) 0,1 kg 10,0 1,0 gezielt 2–3×/Woche zur Schleimhautschonung
Leinöl (hochwertig, kaltgepresst) 30 ml (≈ 27g) 30,0 0,8 unterstĂŒtzt Energieversorgung + Magenschutz
Gesamt (durchschnittlich pro Tag) – – ca. 87–90 MJ → Zielbereich genau getroffen

Die richtigen Werte fĂŒr Heu und andere Futtermittel wurden entweder berechnet oder aus der CVB Tabelle entnommen.

Auf Basis seines Körpergewichts von 530 kg und seiner leichten, regelmĂ€ĂŸig verteilten Arbeit liegt Ludwigs Energiebedarf bei rund 87 Megajoule pro Tag. Seine Empfindlichkeit im Magen-Darm-Bereich erfordert zudem eine strukturreiche, stĂ€rkearme und magenschonende FĂŒtterung. Die folgende Ration deckt seinen Bedarf zuverlĂ€ssig, ohne ihn zu ĂŒberversorgen, und berĂŒcksichtigt dabei sowohl physiologische als auch praktische Aspekte.

Die Grundlage bildet hochwertiges Heu in einer tĂ€glichen Menge von etwa 11,5 kg, das allein bereits rund 103 MJ Energie liefert. Damit wird der Großteil des Energiebedarfs bereits durch strukturreiches, pufferndes Raufutter gedeckt – ideal fĂŒr magensensible Pferde. ErgĂ€nzt wird das Heu durch ein kleines Maß an haferfreiem, stĂ€rkearmem StrukturmĂŒsli (etwa 0,5 kg), das nicht nur als Energiequelle dient, sondern auch geschmackliche Vielfalt bietet. ZusĂ€tzlich sorgen eingeweichte Heucobs (0,3 kg) und eine kleine Portion Mash (0,1 kg, 2–3× pro Woche) fĂŒr Abwechslung, zusĂ€tzliche Wasseraufnahme und UnterstĂŒtzung der SchleimhĂ€ute.

Ein besonders schonender EnergietrĂ€ger ist Leinöl, das in einer Menge von ca. 30 ml tĂ€glich zugefĂŒttert wird. Es liefert hochwertige FettsĂ€uren, zusĂ€tzliche Energie (etwa 0,8 MJ) und unterstĂŒtzt die Magen- und Darmgesundheit durch seine schleimhautschĂŒtzende Wirkung.

Diese Ration bringt Ludwig tĂ€glich auf eine Energieaufnahme von etwa 87–90 MJ – also genau im Zielbereich. Gleichzeitig bleibt sie moderat im StĂ€rkegehalt, fördert eine gesunde Verdauung und stabilisiert den Blutzuckerspiegel, was bei magenempfindlichen Pferden besonders wichtig ist.

Sollte sich Ludwigs Leistungsanforderung verĂ€ndern – zum Beispiel durch vermehrtes Reiten oder Training –, kann die Energiezufuhr ĂŒber eine leichte Erhöhung des MĂŒslianteils oder einen zusĂ€tzlichen Schuss Öl flexibel angepasst werden. Zeigt er dagegen Tendenzen zur Gewichtszunahme oder reagiert empfindlich auf zu viel Kraftfutter, lĂ€sst sich das MĂŒsli problemlos reduzieren oder durch weitere strukturreiche Komponenten wie Heucobs ersetzen.

Wichtig bleibt bei dieser Ration vor allem die Verteilung auf mehrere kleine Portionen ĂŒber den Tag, um die MagensĂ€ure möglichst gleichmĂ€ĂŸig zu pufferen und Fresspausen zu minimieren. Durch dieses abgestimmte Konzept erhĂ€lt Ludwig eine bedarfsgerechte, magenfreundliche und abwechslungsreiche FĂŒtterung, die seine Gesundheit und Leistungsbereitschaft langfristig unterstĂŒtzt.

Verwertung und Verdaulichkeit

Nicht jede aufgenommene Energiemenge steht dem Pferd tatsĂ€chlich zur VerfĂŒgung. Entscheidend ist nicht nur wie viel Energie im Futter enthalten ist, sondern wie gut der Körper sie verwerten kann. Dabei spielen vor allem die Verdaulichkeit der Futtermittel und die Effizienz der Energieumwandlung im Verdauungstrakt eine zentrale Rolle.

Was bedeutet Verdaulichkeit?

Die Verdaulichkeit beschreibt den Anteil der im Futter enthaltenen NĂ€hrstoffe, der vom Körper aufgenommen und genutzt werden kann. Alles, was unverdaut wieder ausgeschieden wird, steht dem Organismus nicht zur VerfĂŒgung. Je höher die Verdaulichkeit, desto effektiver kann das Pferd Energie aus dem Futter gewinnen.

Futtermittel unterscheiden sich deutlich in ihrer Verdaulichkeit:

  • Raufutter wie Heu und Stroh enthĂ€lt viel Rohfaser, die zwar wichtig fĂŒr die Darmgesundheit ist, aber vergleichsweise energiearm und schwerer verdaulich.
  • Kraftfutter wie Getreide oder MĂŒslis ist meist energiereicher und leichter verdaulich, birgt aber Risiken bei Überversorgung oder empfindlicher Verdauung.
  • Öle besitzen eine sehr hohe Energiedichte und sind nahezu vollstĂ€ndig verdaulich – aber nur in begrenzter Menge sinnvoll einsetzbar.
  • GĂ€rfĂ€hige Rohfaser (z. B. aus Heucobs oder ZuckerrĂŒbenschnitzeln) wird im Dickdarm mikrobiell fermentiert und liefert zusĂ€tzlich Energie in Form von kurzkettigen FettsĂ€uren.

Einflussfaktoren auf die Verwertung

Die FÀhigkeit eines Pferdes, Energie zu verwerten, hÀngt nicht nur vom Futter ab, sondern auch von individuellen Merkmalen:

  • Zahngesundheit: Schlechte Zerkleinerung reduziert die Verdaulichkeit, besonders bei Raufutter.
  • Darmflora: Ein intakter Dickdarm mit stabiler Bakterienpopulation ist entscheidend fĂŒr die Rohfaserverdauung.
  • Fressgeschwindigkeit und Mahlzeitenfrequenz: Große Portionen belasten den DĂŒnndarm, ungenutzte StĂ€rke kann in den Dickdarm gelangen und dort Probleme verursachen.
  • Stress und Haltungsbedingungen: NervositĂ€t, Bewegungsmangel oder Futterneid wirken sich negativ auf die Verdauungseffizienz aus.

Bedeutung fĂŒr die FĂŒtterungspraxis

In der Rationsgestaltung muss also berĂŒcksichtigt werden, wie „verfĂŒgbar“ die Energie im Futter tatsĂ€chlich ist. Zwei Pferde können die gleiche Menge an Energie aufnehmen – und doch unterschiedlich davon profitieren, je nach Verdaulichkeit, FĂŒtterungsmanagement und individueller Verdauungsleistung.

Gerade bei magensensiblen oder schwerfuttrigen Pferden lohnt es sich, auf besonders gut verdauliche, magenfreundliche EnergietrĂ€ger wie hochwertige Heucobs, Leinöl oder aufgeschlossene faserbasierte Futtermittel zurĂŒckzugreifen. Umgekehrt sollten bei leichtfuttrigen Pferden mit geringerem Energiebedarf Futtermittel mit hoher SĂ€ttigungswirkung, aber geringerer Energiedichte bevorzugt werden – etwa spĂ€t geerntetes Heu oder strukturreiche Fasermischungen.

Zusammensetzung einer bedarfsgerechten Ration

Die Grundlage jeder ausgewogenen PferdefĂŒtterung ist die bedarfsgerechte Rationsgestaltung. Sie berĂŒcksichtigt nicht nur den Gesamtenergiebedarf, sondern auch die Art und QualitĂ€t der Energiequellen sowie das VerhĂ€ltnis von Grund- und Kraftfutter. Eine gute Ration versorgt das Pferd zuverlĂ€ssig mit Energie, NĂ€hrstoffen und strukturwirksamen Bestandteilen – angepasst an Nutzung, Haltung, Stoffwechsel und Verdauungstyp.

Richtwerte fĂŒr Futterverteilung: Raufutter, Kraftfutter, Zusatzstoffe

Ein gesunder Pferdemagen verlangt nach kontinuierlicher Futteraufnahme mit hohem Rohfaseranteil. Deshalb sollte Raufutter wie Heu oder Heulage immer die Basis der Ration bilden. Die Faustregel lautet:

  • Mindestens 1,5–2 kg Heu pro 100 kg Körpergewicht und Tag

FĂŒr ein 500 kg schweres Pferd entspricht das mindestens 7,5–10 kg Heu tĂ€glich – in der Praxis oft mehr.

Kraftfutter kommt ergĂ€nzend zum Einsatz, wenn der Energiebedarf durch Heu allein nicht gedeckt werden kann – etwa bei Sportpferden, tragenden oder laktierenden Stuten oder schwerfuttrigen Pferden. Dabei ist auf eine schonende, stĂ€rkeangepasste Zusammensetzung zu achten.

ErgĂ€nzungsfuttermittel wie Mineralfutter, Öle oder spezielle Fasermischungen helfen, VersorgungslĂŒcken zu schließen oder individuelle BedĂŒrfnisse zu decken. Sie dĂŒrfen jedoch nie die Basisfutter ersetzen.

Zusammensetzung einer bedarfsgerechten Ration

Eine bedarfsgerechte Pferderation berĂŒcksichtigt nicht nur die Energiemenge, sondern auch die physiologische Verdaulichkeit, Futterstruktur und VertrĂ€glichkeit der Komponenten. Die ErnĂ€hrung muss dem Pferd die notwendige Energie liefern, ohne dabei den Verdauungstrakt zu ĂŒberfordern – insbesondere bei empfindlichen Tieren mit Neigung zu Magenproblemen oder Stoffwechselstörungen.

Raufutter als Basis: Struktur, SĂ€ttigung und Verdauungsschutz

Die wichtigste Komponente jeder Pferderation ist das Raufutter. Heu, Heulage oder eingeweichte Heucobs liefern nicht nur Energie, sondern sorgen durch ihren hohen Rohfasergehalt fĂŒr ausreichend KautĂ€tigkeit und Speichelfluss. Dies ist entscheidend fĂŒr die Pufferung der MagensĂ€ure und die mechanische Reizung des Darms zur Förderung der Peristaltik. Der Richtwert fĂŒr gesunde Pferde liegt bei 1,5 bis 2 kg Heu pro 100 kg Körpergewicht und Tag. Bei erhöhter AktivitĂ€t, schlechter GrundqualitĂ€t oder in Stressphasen darf dieser Wert durchaus ĂŒberschritten werden.

Kraftfutter: gezielt, angepasst und nicht im Übermaß

Kraftfutter dient in der Rationsplanung dazu, den Energiegehalt bei erhöhtem Bedarf zu steigern, etwa bei Sportpferden, trĂ€chtigen Stuten oder schwerfuttrigen Tieren. Entscheidend ist, nicht auf reine Getreidemengen zu setzen, sondern auf strukturreiche, faserbasierte Mischungen mit reduziertem StĂ€rkegehalt. Ideal sind stĂ€rkearme MĂŒslis, aufgeschlossene Fasermischungen oder fermentierte Produkte, die eine hohe Energiedichte mit guter VertrĂ€glichkeit vereinen.

StÀrkebegrenzung als Grundprinzip

Die physiologischen Grenzen der StĂ€rkeverdauung beim Pferd sind begrenzt: StĂ€rke wird im DĂŒnndarm enzymatisch verdaut, aber nur bis zu einem gewissen Maß. ÜberschĂŒssige StĂ€rke gelangt in den Dickdarm, wo sie fermentiert wird – mit der Gefahr von Dysbiosen, SĂ€ureĂŒberschĂŒssen und Erkrankungen wie Hufrehe oder MagengeschwĂŒren. Empfohlen wird ein Grenzwert von maximal 1 g StĂ€rke pro Kilogramm Körpergewicht und Mahlzeit (Luthersson et al., 2009; Andrews et al., 2006).

Gerade bei magenempfindlichen Pferden kann eine stĂ€rkeangepasste FĂŒtterung das Risiko fĂŒr SchleimhautschĂ€den deutlich verringern – ein Zusammenhang, der durch zahlreiche Studien gestĂŒtzt wird (Moore-Colyer & Taylor, 2019).

Faserpflicht: Grundlage fĂŒr Verdauung und Psyche

Pferde sind von Natur aus auf die Aufnahme rohfaserreicher Nahrung ausgelegt. Strukturreiche Fasern fördern nicht nur die KautĂ€tigkeit und Pufferwirkung, sondern stabilisieren auch die Dickdarmflora und wirken sĂ€ttigend. Besonders gut verdaulich sind fermentierbare Fasern wie ZuckerrĂŒbenschnitzel, aufbereitete Fasermischungen oder Heucobs – sie liefern zusĂ€tzliche Energie, ohne den Magen zu reizen, und stĂ€rken die mikrobielle Balance im Darm (Valberg et al., 2019).

ErgĂ€nzungsfuttermittel: gezielte VersorgungslĂŒcken schließen

Mineralfutter sichert die Versorgung mit MikronĂ€hrstoffen wie Calcium, Magnesium, Spurenelementen und Vitaminen. Eine bedarfsgerechte ErgĂ€nzung ist unerlĂ€sslich, insbesondere wenn kein ausgewogenes Kraftfutter gefĂŒttert wird. Öle, insbesondere Leinöl, liefern hochverdauliche Energie und verbessern bei sensiblen Pferden nicht nur die Futterverwertung, sondern auch die SchleimhautvertrĂ€glichkeit im Magen-Darm-Trakt (Valberg et al., 2019).

Individuelle Abstimmung ist unerlÀsslich

Die optimale Ration lĂ€sst sich nicht pauschal festlegen – sie muss stets auf das individuelle Pferd abgestimmt werden. Haltung, Arbeitspensum, Gesundheitsstatus und Temperament beeinflussen, welche Futterkomponenten in welcher Menge sinnvoll sind. Das Ziel bleibt stets gleich: eine ausgewogene, physiologisch angepasste Energieversorgung, die Leistung, Gesundheit und Wohlbefinden gleichermaßen sichert.

Muskelarbeit und Stoffwechsel bei Leistung

Damit ein Pferd Leistung erbringen kann – sei es im GelĂ€nde, auf dem Turnierplatz oder bei alltĂ€glicher Arbeit – muss die Muskulatur zuverlĂ€ssig mit Energie versorgt werden. Der Weg, ĂŒber den diese Energie bereitgestellt wird, hĂ€ngt von der Art und IntensitĂ€t der Bewegung ab und ist eng an den Muskelstoffwechsel gekoppelt. Entscheidend dabei sind sowohl der Muskelfasertyp als auch die Art der Energiebereitstellung.

Muskelfasertypen: Unterschiedliche Aufgaben, unterschiedliche Energiequellen

Die Muskulatur des Pferdes besteht aus verschiedenen Fasertypen, die sich in ihrer Funktion, Geschwindigkeit, Ausdauer und Energienutzung unterscheiden:

  • Typ I-Fasern (langsam kontrahierend): Diese Fasern arbeiten ausdauernd, verbrauchen wenig Energie und nutzen vor allem Fett und aerobe Prozesse. Sie sind besonders aktiv bei ruhiger, kontinuierlicher Bewegung – etwa beim langen Schritt auf der Weide oder beim lockeren Ausritt.
  • Typ IIA-Fasern (schnell kontrahierend, oxidativ): Diese Fasern bilden die BrĂŒcke zwischen Ausdauer- und Schnellkraft. Sie nutzen bevorzugt aerobe Energiebereitstellung, greifen aber bei höherer Belastung auch auf Kohlenhydrate zurĂŒck. Sie kommen bei mittlerer bis hoher ArbeitsintensitĂ€t zum Einsatz – z. B. bei Dressur oder Springen.
  • Typ IIB-Fasern (schnell kontrahierend, glykolytisch): Diese Fasern liefern kurzfristig große Kraft, ermĂŒden jedoch rasch. Sie nutzen ĂŒberwiegend anaerobe Glykolyse – also Zuckerverbrennung ohne Sauerstoff – und sind bei intensiver, kurzer Leistung aktiv, etwa beim Absprung oder Sprint.

Die Zusammensetzung der Muskelfasern variiert je nach Rasse, Trainingszustand und Disziplin. Araber oder Distanzpferde verfĂŒgen meist ĂŒber einen höheren Anteil an Typ-I-Fasern, wĂ€hrend WarmblĂŒter oder VollblĂŒter mehr Typ-II-Fasern aufweisen.

Aerobe und anaerobe Energiebereitstellung

Die Energiebereitstellung in der Muskulatur erfolgt entweder aerob (mit Sauerstoff) oder anaerob (ohne Sauerstoff). Bei aerober Energiebereitstellung wird Energie aus Fetten und Glukose gewonnen – ein langsamer, aber effizienter Prozess mit hoher Ausbeute. Diese Form dominiert bei langer, gleichmĂ€ĂŸiger Arbeit in niedriger IntensitĂ€t und ist besonders fettstoffwechselaktiv.

Bei anaerober Energiebereitstellung hingegen wird Glukose (Glykogen) ohne Sauerstoff in den Muskelzellen umgesetzt – schnell, aber ineffizient. Dabei entsteht MilchsĂ€ure (Laktat), die zu MuskelermĂŒdung und Leistungseinbruch fĂŒhren kann. Diese Form wird bei kurzen, intensiven Belastungen aktiviert – z. B. beim Sprung, schnellen Antritt oder der letzten Phase eines Rennens.

Das Training beeinflusst, welche Stoffwechselwege bevorzugt genutzt werden. Gut trainierte Pferde verschieben die Schwelle der anaeroben Energiegewinnung nach oben – sie bleiben lĂ€nger im aeroben Bereich, arbeiten „fettorientierter“ und ermĂŒden langsamer.

Glykogen und Fettreserven: Die Energietanks des Körpers

Glykogen ist die Speicherform von Glukose in Leber und Muskulatur. Es steht dem Körper bei kurzfristigem Energiebedarf zur VerfĂŒgung und ist besonders wichtig bei intensiver Belastung. Die Glykogenspeicher sind jedoch begrenzt – je nach Trainingszustand können sie binnen Minuten bis Stunden geleert sein. Eine mangelhafte GlykogenverfĂŒgbarkeit fĂŒhrt zu vorzeitiger ErmĂŒdung, Leistungseinbruch oder gar Muskelproblemen (Valberg et al., 2019).

Fettreserven hingegen sind deutlich grĂ¶ĂŸer und stehen bei niedriger bis mittlerer Belastung als dauerhafte Energiequelle zur VerfĂŒgung. Durch gezieltes Training und fetthaltige Rationen kann der Organismus lernen, Fett effizienter zu verwerten, was nicht nur die Ausdauer verbessert, sondern auch Glykogen spart – eine Strategie, die besonders bei Distanz- oder Vielseitigkeitspferden von Vorteil ist.

Die gezielte Auswahl der Futterkomponenten – etwa durch die ErgĂ€nzung von hochwertigem Öl – kann somit die Energieeffizienz der Muskulatur deutlich verbessern und die Belastbarkeit langfristig erhöhen (Valberg et al., 2019).

Symptome bei Über- oder Unterversorgung

Die Energiezufuhr muss zum Bedarf des Pferdes passen – weder ein Zuviel noch ein Zuwenig ist auf Dauer tragbar. Sowohl Energiemangel als auch EnergieĂŒberschuss können schwerwiegende Folgen fĂŒr Gesundheit, Wohlbefinden und LeistungsfĂ€higkeit haben. FrĂŒhzeitiges Erkennen von Fehlversorgungen ist entscheidend, um rechtzeitig gegensteuern zu können.

Energiemangel: Wenn der Körper an Substanz verliert

Ein dauerhafter Mangel an Energie fĂŒhrt dazu, dass der Organismus auf körpereigene Reserven zurĂŒckgreift. Die sichtbarsten Folgen sind:

  • Gewichtsverlust: Das Pferd verliert an Körpermasse, die Muskulatur wirkt eingefallen, Rippen und RĂŒckenlinie treten stĂ€rker hervor.
  • Leistungseinbruch: Mangels ausreichender Energiebereitstellung sinkt die Belastbarkeit. Pferde wirken schneller mĂŒde, zeigen weniger Motivation unter dem Reiter und erholen sich langsamer nach Anstrengung.
  • Muskelabbau: Besonders bei intensiver Arbeit ohne ausreichende Energiezufuhr wird Muskulatur verstoffwechselt – sichtbar v. a. am RĂŒcken, Hals oder Kruppenbereich.

Energiemangel kann auch indirekte Ursachen haben, z. B. durch mangelhafte Futterverwertung, Zahnprobleme oder Parasitenbefall. HĂ€ufig sind Ă€ltere oder schwerfuttrige Pferde betroffen, ebenso wie stark beanspruchte Sportpferde mit unzureichender Rationsanpassung.

EnergieĂŒberschuss: Wenn zu viel des Guten schadet

Ein anhaltender EnergieĂŒberschuss – insbesondere bei geringer Arbeitsleistung – fĂŒhrt frĂŒher oder spĂ€ter zu Stoffwechselentgleisungen. Erste sichtbare Zeichen sind:

  • Übergewicht: Fettdepots bilden sich an MĂ€hnenkamm, Schulter, Schweifansatz und ĂŒber der Kruppe. Das Pferd wirkt „weich“, trĂ€ge oder kurzatmig.
  • Equines Metabolisches Syndrom (EMS): Diese Störung des Zuckerstoffwechsels tritt hĂ€ufig bei ĂŒbergewichtigen Pferden auf. Sie ist durch eine Insulinresistenz gekennzeichnet, die das Risiko fĂŒr Folgeerkrankungen erhöht.
  • Hufrehe: Eine der gravierendsten Folgen von Überversorgung. Vor allem zu viel leicht verdauliche Kohlenhydrate – z. B. Getreide oder frisches Gras – können EntzĂŒndungsprozesse in der Huflederhaut auslösen. Der Zusammenhang zwischen FĂŒtterung und Rehe-Risiko ist wissenschaftlich eindeutig belegt (Geor & Harris, 2009).

Besonders gefÀhrdet sind Robustrassen, leichtfuttrige Pferde oder solche mit eingeschrÀnkter Bewegungsmöglichkeit. Auch ein unausgewogenes VerhÀltnis von Energie und MikronÀhrstoffen kann das Risiko erhöhen.

Hinweise auf Fehlversorgung erkennen

Nicht immer sind Energieprobleme sofort offensichtlich. Viele Pferde zeigen verhaltene Hinweise, die leicht ĂŒbersehen oder falsch interpretiert werden können. Dazu gehören:

  • VerĂ€nderungen im Temperament: NervositĂ€t, Apathie oder Aggression
  • RĂŒckgang der Leistungsbereitschaft oder unklare Rittigkeitsprobleme
  • HĂ€ufige Verspannungen oder vermehrte Schreckhaftigkeit
  • UnregelmĂ€ĂŸiger Kotabsatz, vermehrte Gasbildung oder Kotwasser
  • Langsames Fellwechselverhalten oder stumpfes Haarkleid

Die Kombination aus regelmĂ€ĂŸiger Körperkonditionsbewertung, gezielter Leistungsbeobachtung und kritischer FĂŒtterungsanalyse hilft, Fehlversorgungen frĂŒhzeitig zu erkennen und Rationen entsprechend anzupassen.

Energieeffizienz durch Futterwahl

Die Wahl der Futtermittel beeinflusst nicht nur die Gesamtmenge der aufgenommenen Energie, sondern auch, wie effizient diese im Stoffwechsel verwertet wird. FĂŒr eine gesunde, leistungsorientierte und zugleich magen- sowie stoffwechselschonende PferdefĂŒtterung kommt es daher weniger auf reine Kalorienzahlen an, sondern auf die QualitĂ€t und Verdaulichkeit der Energiequellen.

Fett als energieeffiziente ErgÀnzung

Fette liefern etwa dreimal so viel Energie wie Kohlenhydrate oder Eiweiß, sind dabei jedoch deutlich stoffwechselschonender. Hochwertige Pflanzenöle wie Leinöl, Reiskeimöl oder Sojaöl gelten als leicht verdaulich und magenvertrĂ€glich. Sie stellen eine ideale ErgĂ€nzung dar, wenn der Energiebedarf steigt – etwa bei Sportpferden, bei schwerfuttrigen Tieren oder zur Schonung der StĂ€rkeaufnahme.

Zudem verbessern Fette die Verwertung der fettlöslichen Vitamine (A, D, E, K) und können den Fellglanz, Hautstoffwechsel und die Energiebereitstellung bei Ausdauerbelastungen positiv beeinflussen. Besonders bei Pferden mit muskulÀren Stoffwechselstörungen wie rhabdomyolysegefÀhrdeten Tieren wird der gezielte Einsatz von Fett als glykolyseunabhÀngige Energiequelle empfohlen (Valberg et al., 2019).

Faser als puffernder EnergietrÀger

Strukturwirksame Rohfaser ist nicht nur entscheidend fĂŒr eine gesunde Verdauung, sondern stellt auch einen dauerhaft verfĂŒgbaren Energielieferanten dar – insbesondere durch die Fermentation im Dickdarm. Dabei entstehen kurzkettige FettsĂ€uren (z. B. EssigsĂ€ure), die von der Darmschleimhaut resorbiert und als stabile Energiequelle fĂŒr Ruhe- und Dauerbelastung genutzt werden können.

Die Faserfraktion wirkt zudem puffernd auf den Magen-pH, fördert die KautĂ€tigkeit und reguliert den Appetit. Eine rationsbetonte Nutzung fermentierbarer Faser – etwa ĂŒber Heucobs, ZuckerrĂŒbenschnitzel oder Faserpellets – ist insbesondere bei leichtfuttrigen oder magenempfindlichen Pferden ratsam (Moore-Colyer & Taylor, 2019).

Vermeidung von stÀrkereichen Rationen

StĂ€rkelastige Rationen sind energiedicht, aber in vieler Hinsicht problematisch: Ihre Verdauung belastet den DĂŒnndarm, unverdautes StĂ€rkeĂŒberschuss kann in den Dickdarm gelangen und dort fermentiert werden – mit teils gravierenden Folgen: Dysbiose, Gasbildung, Koliken, Hufrehe oder MagengeschwĂŒre. ZusĂ€tzlich steigt das Risiko fĂŒr Stoffwechselstörungen wie EMS oder Insulinresistenz (Geor & Harris, 2009).

Daher gilt: StĂ€rke soll gezielt, in kleinen Mengen und angepasst an die individuelle VerdauungskapazitĂ€t gefĂŒttert werden. Eine hohe Energieeffizienz lĂ€sst sich heute meist besser durch Kombination aus hochwertigem Raufutter, aufgeschlossener Faser und FettzusĂ€tzen erreichen als durch klassische GetreidefĂŒtterung.

Energie- und Leistungsbedarf beim Pferd zusammengefasst

Der Energiebedarf eines Pferdes ist dynamisch, individuell und abhĂ€ngig von zahlreichen Faktoren: Körpergewicht, Alter, Trainingszustand, Gesundheitsstatus, Haltungsbedingungen und Leistungsanforderung bestimmen, wie viel und welche Art von Energie ein Pferd tĂ€glich benötigt. Eine bedarfsgerechte Energiezufuhr bildet die Grundlage fĂŒr Gesundheit, Rittigkeit und langfristige Leistungsbereitschaft – ebenso wie fĂŒr die PrĂ€vention typischer Erkrankungen des Verdauungs- und Stoffwechselsystems.

Entscheidend ist nicht nur die Menge an Energie, sondern deren Verteilung, Verdaulichkeit und Herkunft. Moderne PferdefĂŒtterung setzt auf strukturreiche, faserbasierte Rationen, kombiniert mit gezielt eingesetzten EnergietrĂ€gern wie Fett und möglichst geringer StĂ€rkelast. Dabei ist Heu mehr als nur ein Grundfutter: Es ist das zentrale Element zur Sicherung von Verdauungsgesundheit, AppetitsĂ€ttigung und emotionalem Gleichgewicht.

Die Auswahl der Futtermittel muss stets auf das individuelle Pferd und seine Lebenssituation abgestimmt werden. Wissenschaftliche Erkenntnisse – etwa zu Muskelstoffwechsel, Mikrobiom, Glykogenverwertung und EnergietrĂ€gern – liefern heute die Grundlage fĂŒr eine fundierte Rationsgestaltung. Doch erst durch die praktische Umsetzung im Stallalltag entsteht das, was Pferde wirklich brauchen: Eine FĂŒtterung, die Leistung ermöglicht und Gesundheit erhĂ€lt – Tag fĂŒr Tag, Jahr fĂŒr Jahr.

FAQ – Energiebedarf und FĂŒtterung beim Pferd

Wie berechne ich den Energiebedarf meines Pferdes?

‍Der Energiebedarf ergibt sich aus dem Erhaltungsbedarf (abhĂ€ngig vom Körpergewicht) multipliziert mit einem Faktor fĂŒr die Arbeitsleistung. Ein 500 kg schweres Pferd hat z. B. bei leichter Arbeit einen Bedarf von ca. 87 MJ pro Tag.

Was zÀhlt zur leichten Arbeit?

‍Leichte Arbeit umfasst regelmĂ€ĂŸiges Reiten im Schritt, Trab, gelegentlicher Galopp, Bodenarbeit, Longieren, FĂŒhrmaschine und Weidegang – also Belastung mit geringer IntensitĂ€t ĂŒber einen lĂ€ngeren Zeitraum.

Warum ist Heu so wichtig?

‍Heu ist strukturreich, regt die KautĂ€tigkeit und Speichelbildung an, puffert MagensĂ€ure und stabilisiert die Dickdarmflora. Es sollte mindestens 1,5–2 kg pro 100 kg Körpergewicht tĂ€glich gefĂŒttert werden.

Wie viel Kraftfutter braucht ein Pferd?

‍Nur so viel wie nötig. Kraftfutter ergĂ€nzt die Ration bei höherem Energiebedarf, sollte aber möglichst faserbasiert und stĂ€rkeangepasst sein. Eine gute Grundregel: Je mehr Bewegung, desto höher darf der Kraftfutteranteil sein.

Warum sollte die StÀrkezufuhr begrenzt werden?

‍Zu viel StĂ€rke ĂŒberlastet den DĂŒnndarm, gelangt in den Dickdarm und kann dort zu Dysbiose, Hufrehe oder MagengeschwĂŒren fĂŒhren. Maximal 1 g StĂ€rke pro kg Körpergewicht und Mahlzeit gelten als sicher.

Ist Fett eine sinnvolle ErgÀnzung?

‍Ja, hochwertige Öle liefern viel Energie, sind gut verdaulich und magenfreundlich. Sie eignen sich besonders bei Sportpferden, schwerfuttrigen oder magensensiblen Tieren.

Woran erkenne ich Energiemangel oder -ĂŒberschuss?

‍Mangel zeigt sich durch Gewichtsverlust, Muskelabbau, Leistungseinbruch. Ein Überschuss durch Übergewicht, TrĂ€gheit, Rehe-Risiko oder Stoffwechselprobleme wie EMS. RegelmĂ€ĂŸige Körperkonditionskontrolle hilft, rechtzeitig gegenzusteuern.

Was macht eine energieeffiziente Ration aus?

‍Sie setzt auf strukturreiche Komponenten (Heu, Heucobs), hochwertige Fette und moderate Mengen an gut verdaulichem Kraftfutter. Ziel ist eine hohe Verwertung bei möglichst geringer Belastung des Verdauungssystems.

Quellverzeichnis
→ Andrews, F. M. et al. (2006): *Gastric ulcers in horses*. J. Equine Vet Sci, 26(4), 209–217.
→ Geor, R. J. & Harris, P. A. (2009): *Feeding management of the equine with endocrine disorders*. Vet Clin North Am, 25(1), 51–67.
→ Harris, P. A. et al. (2006): *Feeding the endurance horse*. Pferdeheilkunde, 22(1), 87–94.
→ Luthersson, N. et al. (2009): *Risk factors for EGUS in Denmark*. Equine Vet J, 41(7), 625–630.
→ Moore-Colyer, M. J. S. & Taylor, J. L. E. (2019): *Diet and feeding behaviour in gastric health*. Animal, 13(7), 1246–1255.
→ Valberg, S. J. et al. (2019): *Fat supplementation in exertional rhabdomyolysis*. Equine Vet Educ, 31(1), 11–20.
Autor*in
Nele SchimmelpfennigMehr VON CMH.TV

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