Die Ankaufsuntersuchung

Die Ankaufsuntersuchung

Eine Ankaufsuntersuchung (AKU) ist essenziell vor dem Pferdekauf. Erfahre, was eine kleine und große AKU umfasst, welche Kosten 2023/2024 auf dich zukommen, und warum Röntgenaufnahmen sinnvoll sein können. Wir erklären, wann eine AKU sinnvoll ist und welche Aspekte bei der klinischen Untersuchung berücksichtigt werden sollten.

Inhaltsverzeichnis

Warum sollte eine AKU durchgeführt werden?

Wer ein Pferd kaufen will, für den ist eine AKU ein wichtiger Faktor für die Kaufentscheidung. War das Probereiten ein Erfolg, dann sollte die AKU erfolgen. Auch wenn ein Pferd augenscheinlich gesund, lahmfrei und fit wirkt, ist nie auszuschließen, dass doch gesundheitliche Einschränkungen beziehungsweise klinische Auffälligkeiten bestehen, die dem Verkäufer unbekannt sind, weil sie bis dato noch keine Auswirkungen gehabt haben. In Einzelfällen sind dem Verkäufer aber sogar Problematiken bekannt, die er dem Kaufinteressenten aber wissentlich verschweigt. Daher ist die AKU die beste Möglichkeit, sicherzustellen, dass man ein gesundes und belastbares Pferd kauft. Andersherum ist es auch eine Absicherung für den Verkäufer: Mit einer AKU kann er nachweisen, dass das Pferd zum Zeitpunkt des Verkaufs gesund war oder etwaige Mängel dem Käufer bekannt waren. Eine AKU ist je nach Umfang zwar eventuell recht kostenintensiv – das Risiko, unwissentlich ein nur eingeschränkt belastbares oder krankes Pferd zu erwerben, birgt aber deutlich höhere Kosten. Auch dem Pferd gegenüber ist es fair, wenn vorab gecheckt wird, ob es die Anforderungen, die sein neuer Besitzer an es stellt, auch erfüllen kann. Daher ist eine AKU bei jedem Pferdekauf und -verkauf unabhängig von der Preisklasse des Pferdes dringend zu empfehlen. 

Wer bezahlt die AKU und was kostet sie?

Wer –Verkäufer oder Interessent – die AKU in Auftrag gibt und damit bezahlt, ist Verhandlungssache und sollte unbedingt vor der Untersuchung geklärt werden. Gibt der Verkäufer die Untersuchung in Auftrag, so spricht man von einer Verkaufsuntersuchung. Eine solche Verkaufsuntersuchung gibt es oftmals bei Pferden, die über eine Auktion versteigert werden sollen.
Manchmal richtet sich die Kostenübernahme auch nach Kauf oder Nichtkauf beziehungsweise je nach Befund. Klären Sie hier aber genaustens ab, in welchem Fall (= bei welchen Befunden) Sie und in welchem Fall der Verkäufer zahlt. 
Üblicherweise zahlt der Interessent die AKU, da er in der Regel auch derjenige ist, der sie veranlasst. Zudem obliegt ihm dann auch die Tierarztwahl. Die Kosten einer AKU hängen davon ab, was gemacht wird: Während eine sogenannte “kleine AKU” nur eine äußere Begutachtung durch den Tierarzt beinhaltet, sind in der “großen AKU” auch bildgebende Verfahren, wie Röntgenaufnahmen, enthalten. 
Entsprechend günstiger ist auch die kleine AKU: Die Kosten dafür belaufen sich auf bis zu 250 Euro. Die große AKU hingegen kann bis zu 1500 Euro oder, wenn spezielle Verfahren angewandt werden, noch mehr kosten.

Was wird bei einer kleinen AKU gemacht? 

In der Regel wird bei einer kleinen AKU Folgendes untersucht: 

  1. Beurteilung des Allgemeinzustands (Futter- und Muskelzustand, Verhalten
  2. Herz und Lunge werden abgehört
  3. Kontrolle von Fell, Haut, Zähnen und Augen
  4. Messung der PAT-Werte (Puls, Atmung, Temperatur) 
  5. Untersuchung von Nervensystem und Kot
  6. Untersuchung des Bewegungsapparates in Ruhe und Bewegung 
    a) Abtasten von Beinen und Rücken
    b) Vortraben auf hartem Boden, in Wendungen und auf gerader Linie
    c) Beugeprobe
    → Bei der Beugeprobe wird ein Bein des Pferdes für kurze Zeit stark angewinkelt. Sofort soll das Pferd vorgetrabt werden. Durch diese Belastung können Lahmheiten besser erkannt werden. Die Aussagekraft der Beugeprobe ist jedoch umstritten. Ein kompetenter Tierarzt kann eine Einschätzung geben, wie viel Wert einer möglichen positiven Beugeprobe beigemessen werden sollte. 
    d) Longieren auf weichem Boden
  7. Belastungstest für Herz und Lunge 
Eine funktionelle Einheit - Der Bewegungsapparat

Bei den klinischen Untersuchungen können Schäden am Bewegungsapparat des Pferdes nicht immer erkannt werden. Faktoren, die die Aussagekraft dieser Tests beeinträchtigen sind zum Beispiel: 

  • Aufregung des Pferdes
  • Beschlag
  • Medikamentengabe
  • Vorangegangene Schonung oder Warmlaufen lassen
  • Muskulärer Trainingszustand
  • Bodenverhältnisse
  • Futterumstellung
  • Wetter

Diese Faktoren können das Pferd sowohl negativ als auch positiv beeinflussen. Möglicherweise werden Lahmheiten nicht gesehen, weil das Pferd Imponierverhalten zeigt. Oder es läuft fühlig, weil es kurz zuvor die Hufeisen entfernt bekommen hat oder der Boden besonders steinig oder etwa gefroren ist. In sehr tiefem Sand lässt sich die Bewegung auch nur schwer beurteilen. Vielleicht gab es am Tag zuvor ein neues Futter, das sich auf die Verdauung auswirkt. Es wird deutlich: Eine kleine AKU ist immer eine Momentaufnahme. Damit sie möglichst aussagekräftig ist, sollten Faktoren wie genannt vorher abgeklärt werden.

Was wird bei einer großen AKU gemacht? 

Neben allen klinischen Tests, die bei der kleinen AKU durchgeführt werden, kommen bei der großen AKU noch dazu: 

  1. 10 bis 18 Röntgenaufnahmen – heutzutage sind nach Röntgenleitfaden 18 Bilder empfohlen
    a) vier seitliche Aufnahmen der Zehe (alle Beine)
    b) zwei seitliche Aufnahmen der Zehen der Vorderbeine mit Fokus auf die Hufgelenke
    c) sechs Aufnahmen der Sprunggelenke (drei pro Hinterbein)
    d) vier Aufnahmen der Knie (zwei pro Hinterbein)
    e) zwei Aufnahmen der Hufrollen
  2. zusätzlich Optionen bei der großen AKU
    a) Endoskopie
    b) Ultraschall
    c) Samenprobe bei Hengsten
    d) Röntgenbilder des Rückens
    e) Blutprobe
Die Nr. 1 der Diagnostik

Brauche ich eine große Ankaufsuntersuchung?

Durch die Röntgenaufnahmen können Beeinträchtigungen wie Spat, Chips oder Veränderungen der Hufrolle sofort erkannt werden. Je nach geplantem Einsatzzweck des Pferdes sind einige Befunde Ausschlusskriterien, da sie später und/oder bei höherer Belastung zu Lahmheiten und Schmerzen führen können. Die Röntgenklassen, die bis 2018 etwaige Befunde in vier Kategorien einordneten und bewerteten, sind inzwischen abgeschafft. Befunde werden im Protokoll der Untersuchung mit einem “R” für “Risiko” gekennzeichnet. Dies bedeutet, dass die diagnostizierte Unregelmäßigkeit nach Einschätzung des Tierarztes in Bezugnahme auf internationale Fachliteratur und die Röntgenkommission der Gesellschaft für Pferdemedizin (GPM) zu einer Lahmheit führen kann. Alles, was nicht zuverlässig als Risiko identifiziert werden kann, wird mit “obB” versehen - “ohne besonderen Befund”. Sowohl ein Risikobefund als auch ein “obB” liefern keine Garantie, dass das Pferd jemals Beschwerden zeigt – oder dauerhaft lahmfrei bleibt. Dennoch minimieren Röntgenbilder bei der AKU das Risiko, ein Pferd zu kaufen, das dem Belastungsanspruch nicht standhält. 

Nicht enthalten im Standardprogramm sind Aufnahmen des Rückens. Probleme wie Kissing Spines, eine Verengung der Dornfortsätze, werden im Rahmen der standardmäßigen großen AKU also nicht erkannt. Das liegt an der mangelnden wissenschaftlichen Datenlage bezüglich Röntgenaufnahmen des Pferderückens: Wie bestimmte Aufnahmen und Befunde interpretiert werden müssen, um eine mögliche Beeinträchtigung vorherzusagen, ist noch nicht genügend belegt. Eine hundertprozentige diagnostische Sicherheit ist daher nicht gegeben.
Das Wirbelsäulen-Problem Kissing Spines etwa, bei dem sich die Dornfortsätze der Rückenwirbel annähern oder berühren, kann für das Pferd so schmerzhaft sein, dass es nicht mehr reitbar ist. Andererseits kann auch ein Pferd mit röntgenologischen Befunden ein Leben lang ein gutes Reitpferd sein. Trotz dieser Unwägbarkeiten kann es sinnvoll sein, den Rücken und die Halswirbelsäule des Pferdes röntgen zu lassen – als zusätzliche Sicherheit für beide Seiten. 

Kissing Spines - wenn's im Rücken zwickt!

Ebenfalls nicht standardmäßig in der großen AKU enthalten ist die Blutprobe. Sie kann aber durchaus sinnvoll sein, und zwar nicht nur um eventuelle Mängel zu erkennen: Auch unter Pferdeverkäufern finden sich schwarze Schafe, die dem Verkaufspferd zum Probereiten Medikamente wie Beruhigungs- und Schmerzmittel, Entzündungshemmer oder sonstige Doping-Präparate verabreichen. Weil allein die Auswertung solcher Proben in speziellen Laboren mehrere hundert Euro teuer werden kann, kann eine Blutprobe für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten eingefroren und erst im Verdachtsfall analysiert werden. Allerdings: Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung kann eine solch aufbewahrte Blutprobe als Beweismittel unter Umständen als wenig aussagekräftig gelten. Wer sich absolut sicher sein will, der sollte die Probe also sofort auswerten lassen. Oft kann es übrigens schon ein Warnhinweis sein, wenn ein Verkäufer bei der Erwähnung einer gewünschten Blutprobe bei der AKU abweisend reagiert – ein seriöser und professioneller Verkäufer würde eine solche nicht als Zeichen des Misstrauens seitens des Interessenten sehen, sondern verständnisvoll reagieren, sofern er nichts zu befürchten hat. 

Egal ob große oder kleine AKU: Sie muss vom ausführenden Tierarzt genauestens protokolliert werden. Meist arbeitet der Tierarzt eine Art Checkliste ab. Dieses Protokoll bekommen Sie zum Schluss ausgehändigt. Ein guter Tierarzt sollte außerdem im Anschluss an die AKU eine Einschätzung geben, ob das Pferd für den gewünschten Einsatzzweck geeignet ist: Ein potentielles Freizeitpferd, das hauptsächlich im Gelände geritten werden soll, “darf” andere Befunde aufweisen, als ein Jungpferd, das für hohe Klassen im Dressur- oder Springsport gekauft wird, da die Belastung für den Pferdekörper dort höher ist.
Auch die Entscheidung “Große oder kleine AKU?” kann nicht pauschal beantwortet werden. Bei Pferden, denen hohe sportliche Leistungen abverlangt werden sollen, ist eine große AKU dringend zu empfehlen. Sinnvoll sind insbesondere Röntgenaufnahmen aber immer –   – auch für Nicht- oder nur gelegentliche Turnierreiter. Hohe Tierarztkosten können selbstverständlich immer auf Pferdebesitzer zukommen. Aber dennoch kann dieses Risiko minimiert werden, indem man kein von vornherein krankes Tier kauft.
Bei älteren Pferden sollte jedoch bedacht werden, dass diese fast immer gewisse Unregelmäßigkeiten auf Röntgenbildern aufweisen. Je nach Alter des Tieres kann auf Röntgenbilder daher verzichtet werden. Besonders Pferde, die zur Zucht eingesetzt werden sollen, sollten aber von Kopf bis Huf noch genauer unter die Lupe genommen werden: Inklusive Endoskopien und Ultraschall, um die inneren Organe zu checken. Für die meisten Käufer, die den Reitsport als Hobby betreiben, sind diese Untersuchungen in der Regel nicht notwendig. Lassen Sie sich bei Unsicherheiten von Ihrem Tierarzt beraten.

Ist eine AKU bei Jungpferden und Fohlen notwendig?

Der Weg zum eigenen Fohlen

Etwas anders gestaltet sich die Antwort auf die Frage, ob eine AKU bei einem Fohlen oder Jährling Sinn ergibt. Bestimmte Punkte der AKU wie etwa die Beugeprobe und das Longieren können bei Fohlen und Jährlingen gar nicht durchgeführt werden. Auch Röntgenbilder sind bei einem Fohlen nicht aussagekräftig, da die Entwicklung des Knochenbaus ja gerade erst richtig begonnen hat und sich vieles erst noch “zurechtwachsen” muss. Zudem zeigen sich etwa Chips erst später. Ein Gesundheitscheck durch einen Tierarzt ist aber trotzdem anzuraten. So kann er beispielsweise Herzfehler, Infekte oder Probleme mit den Augen und der Atmung feststellen. 

Bei jungen Pferden, die bereits in leichte Arbeit genommen wurden, sollte wiederum eine AKU durchgeführt werden – optimalerweise mit Röntgenbildern. Gerade bei einem Jungpferd sollten keine gravierenden Mängel auftreten. Außerdem lassen sich beispielsweise mögliche Chips, die operiert werden müssen, frühzeitig erkennen.

Haftet der Tierarzt, wenn die AKU falsch war?

Was, wenn der Tierarzt bei einer AKU einen wesentlichen Mangel übersieht und das Pferd aufgrund einer vermeintlich unauffälligen AKU gekauft wurde? Ist das der Fall, so kann der Tierarzt in die Haftung genommen werden und es bestehen möglicherweise Schadensersatzansprüche. Allerdings steht der Pferdearzt ausdrücklich nicht für eine vollständig richtige Untersuchung ein, sondern nur für eine pflichtgemäße und sorgsame Umsetzung seiner Aufgaben – hat er nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, so kann er nicht haftbar gemacht werden. Da es sich bei Pferden um Tiere handelt, die nie zu einhundert Prozent kontrollierbar sind und sich je nach Charakter unterschiedlich verhalten, kann nie ausgeschlossen werden, dass der Tierarzt bestimmte Probleme übersieht oder gar nicht sehen konnte, weil das Pferd sie am Tag der AKU nicht gezeigt hat. Hat er nachweisbar fahr- beziehungsweise nachlässig gehandelt und durch eine mangelhafte Untersuchung oder Auswertung einen Befund am Pferd übersehen, der zu Nichtkauf geführt hätte, kann er verklagt werden. Zudem ist der Verkäufer verpflichtet, den Kaufvertrag aufgrund des sogenannten Sachmangels rückabzuwickeln. Es steht dem Käufer frei, ob er den Tierarzt oder den Verkäufer verklagt, sofern dieser nicht zu einer unproblematischen Rückgabe des Pferdes und Rückzahlung des Kaufbetrages sowie möglicher weiterer Kosten, die dem Käufer entstanden sind, bereit ist.

8 Tipps für die AKU

  1. Lassen Sie jedes Röntgenbild einzeln auswerten: Wird ein gravierender Mangel gefunden, der den Kauf ausschließt, sparen Sie das Geld für folgende Röntgenbilder. 
  2. Planen Sie genügend Zeit für eine AKU ein. Wie lange eine AKU dauert, ist von vielen Faktoren abhängig. Für eine kleine AKU inklusive Besprechung sollten Sie mit mindestens einer Stunde rechnen, eher mehr. Wenn Röntgenbilder geplant sind, noch einmal deutlich mehr. Dann kann die AKU mehrere Stunden in Anspruch nehmen. 
  3. Seien Sie bei der AKU persönlich vor Ort – nur so können Sie sichergehen, dass die AKU nach Ihren Vorstellungen durchgeführt wird. 
  4. Suchen Sie sich den Tierarzt möglichst selbst aus. Besteht ein Verkäufer vehement auf einen bestimmten Veterinär, sollten Sie hellhörig werden. 
  5. Manchmal wird auch von einer Verkaufsuntersuchung gesprochen – das ist letztlich das Gleiche, wird aber vom Verkäufer in Auftrag gegeben.
  6. Viele Tierärzte erhöhen den Preis der AKU, wenn das zu untersuchende Pferd einen gewissen Preis übersteigt. Klären Sie die Kosten vorher ab. 
  7. Lassen Sie sich vom Verkäufer nicht mit der Aussage abwimmeln, das Pferd sei “getüvt” und gesund – wenn bereits eine AKU durch einen anderen Interessenten vorhanden ist, lassen Sie sich diese zeigen.
  8. Sie können den Kaufvertrag für das Pferd schon vor der AKU unterschreiben. Wichtig ist dann, eine sogenannte “aufschiebende Bedingung” einzubauen: Der Kaufvertrag wird erst wirksam, wenn die AKU als bestanden gilt. Definieren Sie vorher, was als “bestanden” gilt!

Die Ankaufsuntersuchung ist also ein unverzichtbarer Schritt beim Pferdekauf. Auch wenn es verlockend ist, hier zu sparen: Hohe Tierarztkosten aufgrund einer nicht entdeckten Erkrankung sind meist deutlich höher. Deshalb sollte bei jedem Pferdekauf eine AKU durchgeführt werden. Nach Ende der Untersuchungen bespricht der Tierarzt mit dem Kaufinteressenten die Ergebnisse. Gibt es keine Befunde, die zum Ausschluss führen, steht einem Kauf – und einem langen, gesunden Pferdeleben – nichts mehr im Wege.

Autor*in
Laura SchmidlKlinikenMehr VON CMH.TV

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