
Erbkrankheiten beim Pferd: Ursachen, Tests und Vorsorge
Erbkrankheiten beim Pferd entstehen durch vererbbare Gendefekte und können schwere gesundheitliche Folgen haben. Moderne Gentests ermöglichen es, Trägertiere frühzeitig zu erkennen und gezielt gegenzusteuern. So wird die Pferdezucht nachhaltiger und gesünder gestaltet.
Inhaltsverzeichnis
Was sind Erbkrankheiten beim Pferd?
Erbkrankheiten beim Pferd sind genetisch bedingte Erkrankungen, die durch Mutationen im Erbgut entstehen und von den Elterntieren auf ihre Nachkommen übertragen werden. Oft sind diese Erkrankungen rezessiv vererbt, das heißt, sie treten nur auf, wenn beide Elternteile Träger des defekten Gens sind.
Warum sind genetische Defekte in der Pferdezucht relevant?
Durch selektive Zucht auf bestimmte Eigenschaften (z. B. Gangarten, Exterieur, Leistung) kann es passieren, dass sich versteckte Gendefekte in Zuchtlinien häufen. Ohne gezielte Tests bleibt dies unentdeckt – bis ein Fohlen erkrankt zur Welt kommt. Die gesundheitlichen Folgen für das Pferd reichen von mild bis tödlich, wirtschaftliche Verluste und emotionale Belastung für Züchter und Besitzer inklusive.
Die häufigsten Erbkrankheiten beim Pferd
Im Folgenden stellen wir die bekanntesten genetischen Erkrankungen bei Pferden vor. Sie unterscheiden sich je nach Rasse, Ursache und Auswirkung auf den Organismus.
1. PSSM – Polysaccharid-Speicher-Myopathie
PSSM (Typ 1 und 2) ist eine Muskelstoffwechselstörung, bei der sich übermäßig Glykogen in den Muskelzellen einlagert. Besonders betroffen sind Quarter Horses, Haflinger, Noriker und Warmblüter.
- Symptome: Muskelversteifung, Bewegungsunlust, Schwitzen, Kreuzverschlag
- Vererbung: Typ 1 autosomal-dominant (ein Gen reicht)
- Management: Angepasste Fütterung (wenig Stärke, viel Fett) und regelmäßige Bewegung
- Test: Gentest möglich
2. WFFS – Warmblood Fragile Foal Syndrome
WFFS ist eine autosomal-rezessive Erkrankung, bei der das Kollagen gestört ist. Fohlen mit zwei mutierten Genen werden meist tot geboren oder sterben kurz nach der Geburt.
- Symptome: Dünne, verletzliche Haut, Gelenksdeformationen, extreme Schwäche
- Betroffene Rassen: Warmblüter (v. a. Hannoveraner, KWPN, Oldenburger)
- Trägertiere: meist klinisch unauffällig
- Test: Gentest dringend empfohlen in der Zucht
3. HERDA – Hereditary Equine Regional Dermal Asthenia
HERDA tritt vor allem bei Quarter Horses auf, speziell aus der „Cutting Horse“-Linie.
- Symptome: Haut reißt schon bei geringer Belastung, heilt schlecht
- Vererbung: autosomal-rezessiv
- Euthanasie meist notwendig
- Test: Gentest verfügbar
4. GBED – Glycogen Branching Enzyme Deficiency
GBED ist ein tödlicher Gendefekt, der ebenfalls vor allem Quarter Horses betrifft.
- Symptome: Schwäche, schlechte Gewichtszunahme, niedriger Blutzucker, Atemprobleme
- Vererbung: autosomal-rezessiv
- Test: Gentest empfohlen in der Westernpferdezucht
5. CA – Cerebelläre Abiotrophie
CA betrifft Arabische Pferde und führt zu einem Abbau des Kleinhirns.
- Symptome: Ataxie, unsicherer Gang, Gleichgewichtsstörungen
- Vererbung: autosomal-rezessiv
- Test: Gentest empfohlen
6. SCID – Severe Combined Immunodeficiency
SCID ist ein Defekt des Immunsystems bei Arabern, der das Fohlen komplett schutzlos gegenüber Infektionen macht.
- Symptome: wiederkehrende Infektionen, Fieber, frühe Todesfälle
- Vererbung: autosomal-rezessiv
- Test: unbedingt notwendig vor dem Deckeinsatz
Weitere bekannte Erbkrankheiten
Gentests als Vorsorge: Verantwortung beginnt im Genlabor
Dank moderner DNA-Analysen lassen sich Gendefekte schnell, zuverlässig und frühzeitig erkennen. Viele Labore, wie z. B. Generatio, GeneControl oder Equi-Scope, bieten Testpakete für Pferdebesitzer und Züchter an.
Einige Vorteile:
- Sicherheit für Käufer und Züchter
- Vermeidung leidender Nachzucht
- Verantwortungsbewusste Paarungsgestaltung
Was wird beim Gentest untersucht?
Ein Gentest identifiziert Trägertiere, also Pferde, die zwar gesund sind, aber das mutierte Gen weitervererben können. Ziel ist es, Träger-Träger-Verpaarungen zu vermeiden, um das Risiko erkrankter Fohlen zu minimieren.
Wie funktioniert ein Pferde-Gentest?
- Entnahme einer Haarprobe (mit Wurzel) oder Blutprobe
- Einsendung ins Labor
- Ergebnis innerhalb weniger Tage
Ein Test ist nicht schmerzhaft und kann schon bei Fohlen durchgeführt werden.
Zuchtstrategien: Wie lassen sich Erbkrankheiten vermeiden?
Züchter tragen eine große Verantwortung, um die Gesundheit der Rasse zu bewahren. Ein wichtiges Mittel dabei: Transparenz durch Genetiktests.
Empfohlene Maßnahmen:
- Obligatorische Gentests für Zuchtpferde
- Offenlegung genetischer Befunde im Zuchtbuch
- Vermeidung von Träger-Träger-Paarungen
- Zusammenarbeit mit Zuchtverbänden und Laboren
Viele Verbände fordern oder empfehlen heute bereits einen Gentest, insbesondere bei Warmblütern und Arabern.
Rechtliche und ethische Aspekte
Auch wenn es derzeit keine gesetzliche Testpflicht gibt, steigt der gesellschaftliche und züchterische Druck, nur gesunde Nachkommen zu züchten. Tierschutz, Transparenz und langfristige Zuchtqualität stehen im Fokus.
Fazit: Wissen schützt
Erbkrankheiten beim Pferd sind kein Schicksal – sie sind vermeidbar, wenn man verantwortungsvoll züchtet. Moderne Gentests sind heute unkompliziert, schnell und vergleichsweise günstig. Jeder Züchter und Pferdehalter kann so seinen Teil dazu beitragen, die Pferdezucht gesünder und nachhaltiger zu gestalten.
FAQ – Häufig gestellte Fragen
Wie erkenne ich, ob mein Pferd Träger einer Erbkrankheit ist?
Nur ein Gentest kann zuverlässig klären, ob ein Tier Träger ist. Äußerlich zeigen Trägertiere meist keine Symptome.
Was passiert, wenn ich zwei Trägertiere paare?
Dann besteht ein 25 %-Risiko, dass das Fohlen erkrankt. Weitere 50 % sind Träger, nur 25 % gesund.
Sind Gentests teuer?
Die Kosten liegen je nach Anbieter und Umfang bei 30–150 € pro Test – ein kleiner Preis für gesunde Nachkommen.
Kann ich mein Pferd noch testen lassen, wenn es schon alt ist?
Ja, Gentests sind lebenslang aussagekräftig, da sich das Erbgut nicht verändert.