Kissing Spines beim Pferd: Symptome, Diagnose, Therapie und mehr

Kissing Spines beim Pferd: Symptome, Diagnose, Therapie und mehr

Kissing Spines, eine häufig diagnostizierte Wirbelsäulenkrankheit bei Pferden, wird im Artikel beleuchtet, wobei der Fokus auf Früherkennung und Ursachenprävention liegt. Es wird betont, dass falsches Reiten und mangelnde Bemuskelung des Rückens zu dieser Problematik beitragen können.

Inhaltsverzeichnis

Kissing Spines beim Pferd - Alles, was du wissen musst

Die Bezeichnung "Kissing Spines" bedeutet auf Deutsch so viel wie "küssende Dornfortsätze" und beschreibt eine immer häufiger diagnostizierte Wirbelsäulenkrankheit bei Pferden. Beim Kissing Spines Syndrom nähern sich die Dornfortsätze der Rückenwirbel immer weiter an, bis sie sich schließlich berühren. In extremen Fällen können sie schmerzhaft aneinander reiben, sich sogar überkreuzen oder überlappen. Begleitet wird dies häufig von Entzündungen zwischen den einzelnen Wirbeln sowie der Bildung knöcherner Anbauten. Eine frühzeitige Diagnose ist von entscheidender Bedeutung, um dem Fortschreiten der Krankheit entgegenzuwirken und dem Pferd starke Schmerzen zu ersparen. Als Pferdebesitzer ist es daher von großer Bedeutung, die Ursachen von Kissing Spines zu kennen, die typischen Symptome zu erkennen und zu wissen, wie im Falle einer Erkrankung deines Pferdes zu handeln ist.

Was ist Kissing Spines beim Pferd?

Die Benennung "küssende Dornfortsätze" in der Übersetzung weist bereits auf die zugrunde liegende Problematik hin. Die Neigung der ersten 14 Brustwirbel schweifwärts (caudal) und die darauf folgenden Brustwirbel, die nach kopfwärts (cranial) ausgerichtet sind, führen zu erheblichen Stauchungen der Brustwirbel im Bereich von Brustwirbel 10 - 17, insbesondere unter dem Einfluss des Reitergewichts.

Das sogenannte "thorakale interspinale Syndrom" wird in drei Schweregrade unterteilt, unabhängig von den klinischen Symptomen. Das "Kissing spine"-Syndrom kann sogar bei Pferden auftreten, die nicht geritten werden. Dies führt zu einer Quetschung der Bänder in diesen Bereichen, was zunächst zu Mikrotraumata und im weiteren Verlauf zu knöchernen Anbauten an Querfortsätzen und Dornfortsätzen führen kann, bis hin zum sogenannten "Überreiten". 

Symptome von Kissing Spines beim Pferd

Die Interpretation von Symptomen gestaltet sich als anspruchsvoll. Oftmals beginnt alles mit einer verminderten Leistungsfähigkeit, jedoch bedeutet dies, wie erfahrene Pferdebesitzer wissen, nicht zwangsläufig etwas Gravierendes. Ein zusätzlicher Anhaltspunkt sind Druckschmerzen an den betroffenen Stellen der Wirbelsäule. Es können auch folgende weitere Symptome auftreten:

  • Empfindlichkeit beim Putzen/Abtasten des Rückens
  • Durchdrücken des Rückens beim Aufsteigen/Anreiten
  • Reduzierte Rückenmuskulatur
  • Zwanghaftes Verhalten in Bezug auf Sattel und/oder Gurt
  • Mangelnde Motivation zur Arbeit
  • Taktfehler
  • Schief getragener Schweif
  • Probleme bei der Rittigkeit
  • Mangelnder Schwung im Gang
  • Eingeschränkte Aktivität der Hinterhand
  • Unfähigkeit zu springen mit einem betroffenen Rücken
  • Verweigern vor dem Sprung
  • Wegrennen bei bestimmten Lektionen
  • Widerwilligkeit beim Beschlagen und Schwierigkeiten beim Urin- und Kotabsatz
  • Ablehnung sich in der Box zu legen oder zu wälzen
  • Schwierigkeiten mit den Zügeln
  • Unflüssige Übergänge
  • Fehlende konstante Anlehnung
  • Verhaltensveränderungen wie Beißen und Treten, Schwierigkeiten beim Einfangen
  • Widerwillen, rückwärts zu gehen

Ursachen von Kissing Spines beim Pferd

Häufig sind fehlerhaftes Reiten oder eine unzureichende Ausbildung die Auslöser von Kissing Spines und den damit verbundenen Rückenproblemen bei Pferden. In vielen Fällen wird der Pferderücken zu schnell mit dem Gewicht des Reiters belastet, ohne zuvor ausreichend Muskulatur aufzubauen. Besonders bei jungen Pferden in der Ausbildung bleibt wenig Zeit für eine gesunde Entwicklung des Knochengerüsts und der Muskulatur. Die Rückenmuskulatur spielt eine entscheidende Rolle im gesamten Bewegungsapparat des Pferdes und trägt einen erheblichen Teil des Knochengerüsts. Wenn du dich beispielsweise auf den Rücken deines Pferdes setzt, gibt seine Wirbelsäule zunächst nach. Damit dein Pferd dein Gewicht gesund tragen kann, muss es den langen Rückenmuskel aktivieren. Ist die Rückenmuskulatur jedoch nicht ausreichend stark oder verspannt, kann der Muskel nicht korrekt angespannt werden. Das führt dazu, dass das Pferd nicht aktiv mit der Hinterhand unter den Schwerpunkt treten kann und den Rücken nach unten drückt, anstatt ihn zu wölben.

Diese Fehlbelastung führt dazu, dass sich die Dornfortsätze der Wirbelsäule immer weiter annähern, schmerzhaft aneinander reiben oder sogar überlappen können. Bei anhaltender Fehlbelastung entzündet sich die Rückenmuskulatur. Eine Entzündung kann dazu führen, dass der Muskel mit der Zeit schwindet, was den empfindlichen Schutz der Wirbelsäule beeinträchtigt. Beim Reiten spürt das Pferd diese Belastung direkt auf den Knochen. Besonders anfällig für das Kissing Spines Syndrom sind die 12. bis 18. Wirbel, da der Abstand zwischen ihnen sehr gering ist. Diese Rückenwirbel liegen zudem direkt unter dem Sattel, wodurch sie zusätzlich belastet werden. Die Absenkung des Pferderückens resultiert aus einer reduzierten Zugspannung aufgrund des Hebelarms von Kopf und Hals. In dieser Situation kann die Spannung der Wirbelsäule das Gewicht des Reiters nicht effektiv ausgleichen. Dies führt zu einer übermäßigen Anspannung der Rückenmuskulatur und Stauchungen im Bereich der Sattellage.

Diagnose und Behandlung von Kissing Spines beim Pferd

Wie wird Kissing Spines diagnostiziert?

Kissing Spines können mittels Röntgenbildern visualisiert werden. Jedoch spiegelt ein Röntgenbild lediglich die Knochenpathologie wider und nicht den gesamten Umfang von Entzündung und Schmerz. Selbst bei gesunden Pferden können Knochenveränderungen oder Engstände der Dornfortsätze auftreten. Wenn dies bei einem rückengesunden Pferd der Fall ist, mag es nicht unbedingt sofort beunruhigend sein, kann jedoch als prädisponierender Faktor für zukünftige Rückenprobleme betrachtet werden. Die harmonische Verbindung von klinischer und radiologischer Untersuchung ist von entscheidender Bedeutung.

Therapieoptionen für Pferde mit Kissing Spines

Die entscheidende Maßnahme bei Pferden mit Kissing Spines Syndrom ist der Freilauf. Je mehr sich die Pferde ungehindert bewegen können, desto schneller können Rückenverspannungen gelöst werden. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Schmerzfreiheit des Pferdes. Dies kann mithilfe schmerz- und entzündungshemmender Mittel erreicht werden. 

Sobald das Pferd weitgehend schmerzfrei ist, kann eine osteopathische Behandlung in Angriff genommen werden. Der Osteopath unterstützt das Pferd dabei, seine grundlegende Beweglichkeit wiederzuerlangen, während der Besitzer einfache Übungen erlernt, die die Mobilität des Pferdes erhalten.

Zusätzlich sollte besonderer Wert auf eine korrekte Hufbearbeitung und später einen optimal passenden Sattel gelegt werden. Für den Aufbau der Rückenmuskulatur erweist sich die Arbeit vom Boden aus über mehrere Wochen (6 bis 12 Wochen) – beispielsweise mit Doppellonge, Stangenarbeit und Equikinetic – als effektiver als das Reiten auf dem schmerzenden Rücken des Pferdes. Muskelaufbaufördernde Mikronährstoffe wie Aminosäuren, Vitamine und Spurenelemente können den Muskelaufbau in dieser Phase unterstützen. Ein gut durchdachtes Trainingsprogramm ermöglicht oft die Stärkung der Rückenmuskulatur, sodass eine Rückkehr zum Reiten möglich wird.

Ein wichtiger Tipp ist, auf eine gut trainierte Rückenmuskulatur hinzuarbeiten, die die Wirbelsäule stabilisiert und eine weitere Verschlechterung verhindert. Neben dem Longieren werden auch die Arbeit an der Hand, insbesondere Seitengänge, sowie später intensives, lockeres Reiten im Vorwärts-Abwärts und regelmäßiges Kauenlassen der Zügel empfohlen, um die Rückenmuskulatur positiv zu trainieren.

In den meisten Fällen werden verschiedene Behandlungsmethoden kombiniert:

  • Medikamentöse Behandlung

Einsatz paramedizinischer Methoden wie Chiropraktik, Akupunktur, Physiotherapie (Wärme, Schwimmtraining, Elektrostimulation), Homöopathie

  • Nutzung von chondroitin- oder glucosaminhaltigen Ergänzungsfuttermitteln
  • In seltenen Fällen chirurgische Eingriffe

Die Behandlung kann je nach Schweregrad und Schmerzempfinden des Pferdes entzündungshemmende Medikamente oder Heilkräuter umfassen. Ergänzungsfuttermittel, vor allem mit Glukosamin, Chondroitin, Hyaluronsäure und MSM können in den meisten Fällen unterstützend wirken. Eine hochwertige Versorgung mit essenziellen Aminosäuren, Vitamin E und Selen ist für Pferde mit dem Kissing Spines Syndrom besonders wichtig. In vielen Fällen wird von einer chirurgischen Behandlung abgeraten, da nicht nur die Dornfortsätze an sich verändert sind und Schmerzen verursachen, sondern auch die Gelenkfortsätze am Wirbelkörper.

Wie beuge ich Kissing Spines vor?

  • Achte auf Veränderungen bei deinem Pferd in Bezug auf Verhalten und Leistung. Nimm frühe Anzeichen von Rückenproblemen, wie Unwohlsein oder Arbeitsverweigerung, ernst. 
  • Übergewicht belastet den Rücken zusätzlich. Eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung, um ein gesundes Gewicht zu halten, sind wichtig. 
  • Dein Pferd benötigt ausreichend Erholung, um seine Muskulatur zu regenerieren. Plane Ruhepausen und Pausen von intensiver Arbeit ein. 
  • Ein enger Kontakt und Austausch mit deinem Tierarzt sind entscheidend, um den Zustand deines Pferdes zu überwachen und den Behandlungsplan anzupassen. 
  • Ein qualifizierter Physiotherapeut kann wertvolle Unterstützung in der Behandlung bieten. 
  • Ein gut angepasster Sattel ist von großer Bedeutung, um den Druck auf den Rücken zu minimieren. 
  • Entwickle ein angepasstes Trainingsprogramm, das die Bedürfnisse deines Pferdes berücksichtigt. 

Pferde mit Kissing Spines arbeiten

Neben dem Longieren des Pferdes, hilft auch die Arbeit an der Hand. Hierbei können grundlegende Lektionen wie Schenkelweichen, Halten-Rückwärtsrichten und ähnliche Übungen durchgeführt werden. Diese Übungen helfen nicht nur, die Muskulatur zu lockern, sondern ermöglichen es dem Pferd auch, die Kommandos mit der Unterstützung der Stimme zu verinnerlichen.

Im späteren Reitstadium lernt das Pferd schnell, die Kommandos mit den entsprechenden Hilfen zu verknüpfen. Wenn man selbst nicht versiert in der Arbeit an der Hand ist, ist es ratsam, professionelle Unterstützung zu suchen und dem Ausbilder zu erklären, dass es um die Grundlagen des Lösens bei der Arbeit an der Hand geht, nicht um fortgeschrittene Lektionen wie Piaffe und Passage. Die Arbeit an der Hand ist eine sinnvolle Ergänzung zur Arbeit unter dem Sattel, allerdings können Fehler mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen. Beim Reiten selbst ist es zunächst wichtig, zu den Grundlagen zurückzukehren. Dazu gehört als eine der entscheidenden Übungen, die in jedem Training eingebunden werden sollte: das Zügel aus der Hand kauen lassen.

Auch die Arbeit im Gelände bietet eine gute Gelegenheit, das Zügel aus der Hand kauen lassen zu üben. Egal, ob auf großen gebogenen Linien, auf Wald- oder Wiesenwegen, das Zügel aus der Hand kauen lassen ist ein unverzichtbares Werkzeug, das jeder Reiter beherrschen und jedes Pferd erlernen sollte. Durch diese Übung lernt das Pferd, den Rücken herzugeben, aktiv mit dem Hinterbein abzufußen, an die Hand heranzutreten und alle Muskeln korrekt zu belasten. Zudem ermöglicht es dem Pferd, sich zu entspannen. Ein korrekt ausgeführtes Zügel aus der Hand kauen lassen führt zu einer Dehnungshaltung, bei der sich die Nase in Höhe des Buggelenks an der Senkrechten oder idealerweise leicht davor befindet. Dies ermöglicht dem Pferd, aktiv mit dem Hinterbein unter den Schwerpunkt zu treten und den Rücken zum Schwingen zu bringen.

Bei dieser Übung werden alle Muskeln, Sehnen, Bänder und Gelenke im Körper des Pferdes korrekt belastet, Verspannungen werden gelöst, und innere sowie äußere Losgelassenheit wird erreicht. Da das Zügel aus der Hand kauen lassen ein Kriterium für die korrekte Ausbildung eines Pferdes ist, sollte es zu den ersten Übungen gehören, die in der Bahn sowie im Gelände regelmäßig eingebunden werden – nicht nur zu Beginn und zum Ende des Trainings, sondern auch zwischendurch.

Um solche Rückenprobleme zu vermeiden, ist es entscheidend, sich auf das Training zu konzentrieren, das dem Pferd ermöglicht, sich zu entspannen und loszulassen. Dazu gehören Übergänge, Tempounterschiede, Seitengänge wie Schulterherein, Travers, Renvers, gebogene Linien und das Zügel aus der Hand kauen lassen. Korrekte halbe Paraden, insbesondere am äußeren Zügel, sind notwendig, um das Pferd aufzufordern, das Gebiss anzunehmen und sich davon abzustoßen. Eine gut trainierte Rückenmuskulatur ist der Schlüssel, um die Wirbelsäule zu stabilisieren und eine weitere Verschlechterung zu verhindern. Mit diesem Ansatz können Rückenprobleme vermindert werden, und selbst Pferde mit Kissing Spines können oft bis auf S-Niveau ausgebildet und bis in ein hohes Alter geritten werden.

Autor*in
Sina SchulzeKlinikenMehr VON CMH.TV

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