
Künstliche Intelligenz verleiht Pferden eine digitale Stimme
Neues System erkennt Schmerzen und Verhaltensänderungen durch 3D-Bewegungsanalyse
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Forschende der KTH Royal Institute of Technology in Schweden haben gemeinsam mit der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften (SLU) ein KI-gestütztes Modell entwickelt, das Pferdebewegungen dreidimensional analysiert - die berichtet Horse&Hound. Das System namens Dessie rekonstruiert mithilfe von Videoaufnahmen präzise die Körperhaltung und Bewegungsabläufe der Tiere und soll Tierärztinnen und Tierärzten helfen, gesundheitliche Probleme frühzeitig zu erkennen.
Die Technologie basiert auf sogenanntem „disentangled learning“, wodurch Einflussfaktoren wie Licht oder Hintergrund ausgeblendet werden, um nur relevante Körperbewegungen auszuwerten. Laut Professorin Hedvig Kjellström von der KTH und der auf Pferdeorthopädie spezialisierten Forscherin Elin Hernlund ermöglicht das System eine bisher unerreichte Genauigkeit in der Bewegungsanalyse. So lassen sich auch subtile Anzeichen von Schmerzen oder Unwohlsein identifizieren, die im normalen Untersuchungsalltag übersehen werden könnten.
Langfristig soll Dessie mit Daten unterschiedlicher Pferderassen weiterentwickelt werden, um ein noch umfassenderes Bild der Körpersprache von Pferden zu liefern. Die Forscher sprechen von einer digitalen Stimme, die Pferden hilft, sich trotz fehlender Sprache mitzuteilen – und somit eine neue Ära der tiermedizinischen Diagnostik einleiten könnte.
Bereits im vergangenen Jahr gab es einige Veröffentlichungen zu diesem Thema:
Das Paper „From facial expressions to algorithms: a narrative review of animal pain recognition technologies“ von Ludovica Chiavaccini, Anjali Gupta und Guido Chiavaccini erschien am 17. Juli 2024 in Frontiers in Veterinary Science und fasst alle Studien, die sich bis dato mit der Überbrückung von Künstlicher Intelligenz und Schmerzerkennung bei Pferden auseinander gesetzt haben, zusammen.
Diese Übersichtsarbeit untersuchte die Entwicklung von Technologien zur automatisierten Schmerzerkennung bei Tieren – von der manuellen Auswertung mimischer Schmerzreaktionen bis hin zu modernen, KI-gestützten Verfahren. Dabei beschreibt der Beitrag zunächst die Entstehung speziesbezogener Grimassenskalen wie der Horse Grimace Scale, deren Nutzen jedoch durch subjektive Bewertungen und eingeschränkte Validierungen limitiert ist. Anschließend wird die Rolle von Automatisierter Schmerzerkennung (Automated Pain Recognition, APR) beleuchtet. Diese basiert auf Methoden der Künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens, um Schmerzen anhand von Bildern, Videos und physiologischen Daten objektiv zu erkennen. Die Studie betont hierbei die Vorteile solcher Systeme – wie Genauigkeit und Standardisierbarkeit – verweist aber auch auf Herausforderungen wie unzureichende Datensätze, ethische Bedenken bei der Datenerhebung sowie die fehlende Möglichkeit zur Selbstäußerung von Schmerz durch Tiere.