
PSSM 1 & 2 beim Pferd: Ursachen, Symptome, Behandlung
Ein scheinbar gesundes Pferd, das plötzlich steif läuft, schreckhaft reagiert oder nicht mehr vorwärts will? Hinter solchen Symptomen kann eine Stoffwechselstörung der Muskulatur stecken – genauer gesagt: PSSM, die Polysaccharid-Speicher-Myopathie. Diese genetisch bedingte Erkrankung betrifft viele Pferde und stellt Halter sowie Tierärzte vor große Herausforderungen. Vor allem bei gut bemuskelten Pferden, die leistungsbereit erscheinen, bleibt PSSM beim Pferd lange unerkannt. Doch frühzeitiges Wissen ist entscheidend: Nur wer die Symptome erkennt und konsequent handelt, kann seinem Tier ein beschwerdefreies Leben ermöglichen.
Inhaltsverzeichnis
Was ist PSSM beim Pferd?
PSSM steht für Polysaccharid-Speicher-Myopathie – eine erblich bedingte Muskelerkrankung bei Pferden. Sie führt dazu, dass sich in den Muskelzellen zuckerähnliche Substanzen (Polysaccharide) ablagern, die dort nicht vollständig abgebaut werden können. Das Ergebnis: Muskelverspannungen, Steifheit, Leistungsabfall und im schlimmsten Fall sogar Muskelzerfall.
.webp)
Es gibt zwei Hauptformen:
PSSM1: Die genetisch nachweisbare Form
Diese Variante entsteht durch eine Mutation im GYS1-Gen, das für den Abbau von Zucker in den Muskelzellen zuständig ist. Betroffene Pferde speichern zu viel Glykogen, das die Muskelfunktion stört. Ein Gentest kann die Erkrankung eindeutig nachweisen – oft schon vor dem Auftreten erster Symptome.
PSSM2: Die komplexere Variante
Im Gegensatz zu PSSM1 ist PSSM2 nicht durch einen einzelnen Gen-Defekt bedingt. Vielmehr handelt es sich um eine Gruppe verwandter Muskelstörungen, deren Ursache bislang nicht vollständig geklärt ist. Auch hier kommt es zu Muskelproblemen – jedoch häufig ohne Glykogenüberladung. Diagnostiziert wird PSSM2 in der Regel über eine Muskelbiopsie oder spezialisierte Tests auf sogenannte MFM-Marker (myofibrilläre Myopathie).
Wer ist betroffen?
PSSM tritt bei vielen Rassen auf, besonders aber bei:
- Quarter Horses und verwandten Westernrassen,
- Kaltblütern wie Norikern oder Rheinisch-Deutschen,
- sowie Warmblütern und sogar Ponys.
Ursachen und genetischer Hintergrund
Die Ursachen von PSSM beim Pferd sind genetisch bedingt, aber die genauen Mechanismen unterscheiden sich zwischen den beiden Hauptformen.
PSSM1: Eine klare Genmutation
Bei PSSM1 liegt eine konkrete Mutation im GYS1-Gen vor. Dieses Gen steuert die Produktion eines Enzyms, das Zucker in Glykogen umwandelt – dem Energiespeicher der Muskelzellen. Bei erkrankten Pferden funktioniert dieser Prozess nicht richtig: Zu viel Glykogen wird gespeichert, die Muskeln „verstopfen“ regelrecht. Dies führt zu Schmerzen, Steifheit und Muskelproblemen.
PSSM1 ist dominant vererbbar, das heißt: Schon ein verändertes Gen eines Elternteils reicht aus, damit das Fohlen erkrankt. Deshalb ist Gentesting bei Zuchtpferden ein wichtiger Schritt, um die Weitervererbung zu verhindern.
PSSM2: Ein multifaktorielles Puzzle
Die Ursachen von PSSM2 sind komplexer. Hier sind meist mehrere Genvarianten und Stoffwechselprozesse beteiligt. In vielen Fällen zeigen betroffene Pferde eine sogenannte myofibrilläre Myopathie (MFM) – eine Störung im Aufbau der Muskelfasern.
Aktuelle Forschung vermutet, dass bei PSSM2-Pferden die Muskulatur unter Dauerstress steht, ohne dass ein typischer Glykogenspeicher vorliegt. Die Erkrankung ist nicht über einen einfachen Gentest nachweisbar, sondern erfordert oft eine Muskelbiopsie und spezielle Labortests, etwa auf sogenannte P-Varianten.
PSSM Symptome beim Pferd erkennen
Die Symptome von PSSM sind oft unspezifisch und werden leicht mit Trainingsproblemen oder Temperamentsfragen verwechselt. Dabei sind frühe Anzeichen entscheidend, um dem Pferd dauerhaft zu helfen.
Allgemeine PSSM Symptome
Viele betroffene Pferde zeigen:
- Muskelsteifheit (vor allem nach Ruhephasen oder leichter Belastung),
- unwilliges Vorwärtsgehen oder „Klemmigkeit“,
- plötzliche Schreckhaftigkeit oder Nervosität,
- verhärtete Kruppenmuskulatur,
- Zittern oder Muskelkrämpfe,
- vermehrtes Schwitzen bei leichter Arbeit,
- im Schub: braun verfärbter Urin (Hinweis auf Muskelzerfall).
PSSM1: Typische Anzeichen
Die Symptome treten meist bereits in jungen Jahren auf und können nach kürzester Belastung zum sogenannten Kreuzverschlag führen – einem akuten Muskelschub mit Bewegungsunfähigkeit.
PSSM2: Vielschichtige Symptomatik
Hier zeigt sich das Bild diffuser:
- Leistungsabfall, ohne dass klare Ursachen erkennbar sind,
- Taktunreinheiten, Rückenprobleme,
- verweigertes Rückwärtsrichten oder vermehrte Widerstände unter dem Sattel,
- teilweise Kopf- oder Bauchschlagen, das fälschlich als „Verhaltensstörung“ gedeutet wird.
Verlauf und Schweregrade
Nicht jedes Pferd zeigt alle Symptome. Manche bleiben jahrelang symptomfrei, bis ein äußerer Auslöser wie Futterumstellung, Stress oder Übertraining einen Schub auslöst.
Diagnose: Wie wird PSSM festgestellt?
Die Diagnose von PSSM beim Pferd erfordert ein systematisches Vorgehen – denn viele Symptome können auch andere Ursachen haben. Eine sichere Abklärung ist entscheidend, um gezielt behandeln zu können.
PSSM-Test beim Pferd
Für PSSM1 ist der Weg relativ klar: Ein Gentest auf die Mutation im GYS1-Gen bringt Gewissheit. Dafür genügt meist eine Haarwurzel- oder Blutprobe. Der Test zeigt, ob das Pferd:
- nicht betroffen (n/n),
- Träger (n/P1),
- oder betroffen (P1/P1) ist.
PSSM2: Komplexere Diagnostik
Da PSSM2 nicht durch eine einzelne Mutation verursacht wird, ist kein einfacher Gentest möglich. Stattdessen gibt es folgende Optionen:
- Muskelbiopsie: Gewebeprobe aus der Kruppenmuskulatur, die typische Veränderungen sichtbar macht.
- Erweiterte Genanalysen: Tests auf sogenannte P-Varianten (z. B. P2, P3, P4), die Hinweise auf PSSM2-Subtypen liefern.
- Bewegungsvideos und Symptomprotokolle: helfen erfahrenen Tierärzt:innen bei der Einschätzung.
Was bringt eine Haaranalyse beim Pferd?
Immer öfter wird auch eine Haarmineralanalyse zur Ergänzung herangezogen – sie kann Hinweise auf Nährstoffmängel (z. B. Mangan, Magnesium, Zink) liefern. Zwar ersetzt sie keine genetische oder histologische Diagnose, doch sie kann helfen, die Fütterung gezielt zu optimieren – insbesondere bei schubanfälligen PSSM2-Pferden.
Behandlung und Management
PSSM beim Pferd ist zwar nicht heilbar, aber gut kontrollierbar – vorausgesetzt, Haltung, Bewegung und Fütterung sind optimal auf die Erkrankung abgestimmt. Entscheidend ist ein ganzheitlicher Management-Ansatz, der auf die individuellen Bedürfnisse deines Pferdes eingeht.
Fütterung bei PSSM: Weniger Zucker, mehr Struktur
Der wichtigste Hebel ist die Futterumstellung:
- Stärke- und zuckerarmes Futter (z. B. kein Getreide, keine Möhren),
- hochwertiges Heu ad libitum,
- zusätzliche Fettquellen (z. B. Leinöl, Reiskeimöl) zur Energieversorgung,
- gezielte Mineralstoffzufuhr – insbesondere Magnesium, Vitamin E, Selen und:
Was bewirkt Mangan beim Pferd?
Mangan spielt eine zentrale Rolle im Muskelstoffwechsel. Ein Mangel kann die Regeneration der Muskulatur stören und PSSM-Symptome verstärken. Viele PSSM-Pferde profitieren nachweislich von einer manganreichen Mineralstoffgabe – allerdings nur in abgestimmter Dosierung und nach Rücksprache mit Fachleuten.
Bewegung ist Medizin
PSSM-Pferde brauchen tägliche, regelmäßige Bewegung – idealerweise:
- ohne längere Pausen (auch kein ganztägiger Boxenstillstand),
- mit viel lockerem Vorwärtsgehen im Schritt,
- ergänzt durch gezielte Gymnastizierung.
Achtung: Zwangsruhephasen (z. B. durch Verletzung) können Symptome verschlimmern.
Was tun bei einem PSSM2-Schub?
Ein akuter Schub äußert sich oft durch:
- Muskelzittern,
- Bewegungsverweigerung,
- starkes Schwitzen,
- steifen oder festgefrorenen Gang.
In diesem Fall gilt:
- Sofort abbrechen, Pferd ruhig stellen (aber nicht in kompletter Boxenruhe lassen),
- Tierarzt kontaktieren,
- ggf. Elektrolyte und krampflösende Medikamente verabreichen lassen,
- danach: Management kritisch überprüfen (Futter? Stress? Bewegungsmuster?).
PSSM und der Alltag mit dem Pferd
Ein Pferd mit PSSM zu besitzen bedeutet nicht zwangsläufig, auf das Reiten verzichten zu müssen – wohl aber, die eigene Haltung und das Training neu zu denken. Mit der richtigen Strategie kann auch ein betroffenes Tier ein aktives, ausgeglichenes Leben führen.
Ist ein Pferd mit PSSM reitbar?
Ja – viele PSSM-Pferde sind grundsätzlich reitbar, wenn:
- sie korrekt gefüttert werden,
- täglich ausreichend bewegt werden,
- Stress vermieden wird,
- und das Training langsam aufgebaut und muskelgerecht gestaltet ist.
Wichtig: Klassisches „Durchreiten“ bei Widersetzlichkeiten kann kontraproduktiv sein – das Pferd leidet nicht an Unwillen, sondern an einem stoffwechselbedingten Muskelproblem.
Lebenserwartung bei PSSM-Pferden
Die gute Nachricht: Die Lebenserwartung bei PSSM-Pferden ist in der Regel nicht reduziert, sofern die Erkrankung erkannt und konsequent gemanagt wird. Viele Tiere bleiben über Jahre symptomfrei, wenn Haltung, Fütterung und Bewegung auf sie abgestimmt sind.
Weide, Offenstall und soziale Kontakte
Viele Halter fragen sich, ob ein Pferd mit PSSM auf die Weide darf – die Antwort ist: Ja, unbedingt, aber mit Einschränkungen:
- keine fruktanreichen Wiesen (besonders im Frühjahr und Herbst),
- idealerweise kontrollierter Zugang oder angepasste Weidezeiten,
- Beobachtung der Symptome nach Weidegang.
Offenstallhaltung mit viel freier Bewegung, abwechslungsreichem Untergrund und Sozialkontakt wirkt sich oft positiv auf den Muskelstoffwechsel aus.
PSSM Pferd: Häufige Fragen (FAQ)
Was bewirkt Mangan beim Pferd?
Mangan ist essenziell für viele Enzyme, die am Energie- und Muskelstoffwechsel beteiligt sind. Bei PSSM-Pferden kann ein Mangel die Erregbarkeit der Muskeln erhöhen und Symptome verschlimmern. Daher ist eine gezielte Manganversorgung – nach Analyse – oft sinnvoll.
Was ist der Unterschied zwischen PSSM1 und PSSM2?
- PSSM1 ist eine genetisch eindeutig nachweisbare Speicherkrankheit mit zu viel Glykogen in der Muskulatur.
- PSSM2 umfasst verschiedene Formen nicht-glykogener Muskelstörungen, oft mit strukturellen Muskelschäden. Die Diagnose ist schwieriger und erfordert spezielle Tests.
Was bringt eine Haaranalyse beim Pferd?
Eine Haaranalyse liefert Hinweise auf Mineralstoffmängel oder -ungleichgewichte, die bei PSSM-Pferden eine Rolle spielen können. Sie ersetzt keine genetische oder histologische Diagnostik, kann aber helfen, das Fütterungskonzept gezielter anzupassen.
Ist ein Pferd mit PSSM reitbar?
Ja, mit dem richtigen Management (angepasste Fütterung, regelmäßige Bewegung, stressfreier Umgang) können viele PSSM-Pferde problemlos geritten werden. Wichtig ist, Symptome ernst zu nehmen und Belastung individuell zu dosieren.
Was tun bei einem PSSM2-Schub?
Ruhig bleiben, Bewegung abbrechen, Tierarzt rufen und das Pferd nicht isoliert ruhigstellen. Stattdessen: Stressreduktion, Elektrolyte, ggf. Medikation – und anschließend: Management überprüfen, vor allem Futter- und Bewegungspläne.