
Hungerhaare beim Pferd: Alarmsignal - Stoffwechselerkrankung?
Das Fell deines Pferdes ist mehr als nur Schutz gegen Wind und Wetter – es ist ein Spiegel der inneren Gesundheit. Wenn sich plötzlich einzelne, längere Haare zeigen, die aus dem Fellbild herausragen, steckt oft mehr dahinter als nur ein kosmetisches Problem. Diese sogenannten Hungerhaare können ein ernstes Warnsignal für Mangelerscheinungen oder Stoffwechselstörungen sein. In diesem Artikel erfährst du, wie Hungerhaare entstehen, woran du sie erkennst und was du konkret tun kannst, um die Gesundheit deines Pferdes gezielt zu unterstützen.
Table of Contents
Was sind Hungerhaare?
Hungerhaare sind ein auffälliges Fellphänomen beim Pferd, das häufig in Verbindung mit Mangelerscheinungen oder Stoffwechselstörungen auftritt. Dabei handelt es sich um einzelne, längere und oft struppig wirkende Haare, die sich deutlich vom restlichen Fell abheben. Besonders sichtbar werden sie entlang der Flanken, am Bauch oder an den Beinen, gelegentlich aber auch im Bereich des Widerrists oder der Schultern. Sie gelten als warnendes Indiz, dass der Körper deines Pferdes aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Abgrenzung: Grannenhaare, Stichelhaare oder Hungerhaare?
Im Sprachgebrauch werden Grannenhaare, Stichelhaare und Hungerhaare teils synonym verwendet – fachlich betrachtet bestehen jedoch wichtige Unterschiede:
- Grannenhaare sind die robusteren, länger gewachsenen Haare im Pferdefell, die insbesondere im Winterfell eine Schutzfunktion übernehmen. Sie sind physiologisch normal und kein Krankheitszeichen.
- Stichelhaare hingegen beschreiben meist einzelne, veränderte Haare, die sich durch Struktur, Länge oder Farbe vom übrigen Fell unterscheiden – sie können auf Nährstoffmängel hinweisen, etwa bei Zink- oder Eiweißunterversorgung.
- Hungerhaare schließlich sind ein sichtbares Resultat von chronischem Mangel, insbesondere bei Energie- oder Eiweißunterversorgung, oft begleitet von weiteren Symptomen wie Muskelabbau, stumpfem Fell oder verzögertem Fellwechsel.
Warnsignal für Stoffwechselprobleme
➡ Videotipp: Stoffwechselprobleme beim Pferd wie EMS, Cushing oder Insulinresistenz haben oft sichtbare Folgen – darunter auch sogenannte Hungerhaare. In diesem Video erfährst du, wie eine gezielte Fütterung helfen kann, den Stoffwechsel zu stabilisieren und Mangelerscheinungen wie Hungerhaare effektiv zu vermeiden.

Die Entstehung von Hungerhaaren weist auf eine gestörte Nährstoffverwertung oder -versorgung hin – ein Zustand, wie er etwa bei Stoffwechselerkrankungen wie Cushing, EMS (Equines Metabolisches Syndrom) oder Leberproblemen auftritt. Solche Erkrankungen führen dazu, dass das Pferd selbst bei äußerlich „guter“ Fütterung nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt ist. Der Organismus priorisiert lebenswichtige Funktionen – das Fell bleibt dabei oft auf der Strecke.
So erkennst du Hungerhaare beim Pferd
Hungerhaare lassen sich nicht immer auf den ersten Blick erkennen – vor allem nicht bei Pferden mit dichtem Winterfell oder Rassen mit üppiger Behaarung wie Tinkern. Umso wichtiger ist ein geschulter Blick auf feine Veränderungen im Fellbild.
Typische Stellen: Wo treten Hungerhaare auf?
Besonders häufig findest du Hungerhaare an folgenden Körperregionen:
- Bauch: längere, struppige Haare entlang der Bauchlinie oder in der Gurtlage
- Flanken und Lenden: auffällige, widerspenstige Einzelhaare oder Haarbüschel
- Beine: verlängerte Haare an den Röhrbeinen, oft mit glanzlosem Behang
Diese Haare wirken deutlich länger und matter als das umgebende Fell. Sie stehen ab, lassen sich schwer ausbürsten und kehren nach dem Putzen rasch in ihre abstehende Position zurück.
Normales Fell oder krankhaft?
Gerade im Fellwechsel zeigen viele Pferde ein ungleichmäßiges Haarkleid. Doch: Hungerhaare wachsen unabhängig vom Fellwechsel – sie bleiben auch dann bestehen, wenn das restliche Fell längst gewechselt hat. Sie sind nicht saisonal bedingt, sondern ein anhaltender Hinweis auf eine Fehlversorgung.
Ein gesundes Pferd mit langem Sommerfell (z. B. Isländer, Tinker) zeigt meist ein gleichmäßig strukturiertes Haarkleid, während Hungerhaare sich durch ihre ungeordnete Anordnung und raue Struktur abheben.
Symptom oder Typfrage?
Auch wenn bestimmte Rassen zu dichterem oder längerem Fell neigen – Hungerhaare sind kein rassetypisches Merkmal, sondern ein Warnzeichen. Ob dein Pferd „einfach nur zottelig“ ist oder tatsächlich eine Mangelerscheinung vorliegt, lässt sich oft nur in Kombination mit weiteren Faktoren wie Futterzustand, Muskelbild und Verhalten beurteilen.
Mögliche Ursachen für Hungerhaare
Hungerhaare sind keine eigenständige Erkrankung, sondern ein sichtbares Symptom innerer Ungleichgewichte. Die häufigsten Ursachen liegen in Ernährungsdefiziten, Stoffwechselstörungen oder einer Kombination aus beidem.
1. Nährstoffmangel: Wenn das Fell leidet
Ein dauerhaft unausgewogenes Futterregime – sei es durch zu wenig Energie, Eiweiß oder Mineralstoffe – kann dazu führen, dass der Körper nicht mehr alle Funktionen ausreichend versorgen kann. Haut und Haare gehören zu den ersten Bereichen, bei denen gespart wird.
Besonders relevant sind:
- Eiweißmangel: wichtig für Haarwachstum und Regeneration
- Zinkmangel: beeinflusst Hautstoffwechsel, Haarqualität und Immunfunktion
- Energiedefizit: etwa bei älteren Pferden oder in Zeiten hoher Belastung (z. B. Fellwechsel)
Auch ein Übermaß an Mineralien kann das Gleichgewicht stören – zum Beispiel durch ein unausgewogenes Calcium-Phosphor-Verhältnis oder falsche Spurenelementdosierungen.
2. Stoffwechselerkrankungen: Der unsichtbare Auslöser
Manche Pferde erhalten auf dem Papier eine ausgewogene Ration – und zeigen trotzdem Hungerhaare. Der Grund: ihr Körper kann Nährstoffe nicht richtig aufnehmen oder verarbeiten. Häufige Ursachen:
- Cushing-Syndrom (PPID): gestörte Hormonlage, oft mit verzögertem Fellwechsel
- Equines Metabolisches Syndrom (EMS): Insulinresistenz, Übergewicht, verminderte Entgiftung
- Lebererkrankungen: beeinträchtigte Nährstoffverwertung und Fellqualität
Diese Krankheiten führen dazu, dass das Pferd intern unterversorgt ist, obwohl es äußerlich gut gefüttert scheint – Hungerhaare sind dann oft eines der ersten Anzeichen.
3. Risikogruppen: Wer besonders gefährdet ist
- Tinker, Isländer und Kaltblüter: dichter Behang erschwert Fellbeurteilung, Mangel wird spät erkannt
- Senioren: nachlassende Verdauung und Nährstoffverwertung
- Pferde im Fellwechsel: erhöhter Bedarf, oft unterschätzt
- Rekonvaleszenten: nach Krankheit oder Stressphasen (z. B. Kolik, Hufrehe, Parasitenbefall)
Was tun bei Hungerhaaren?
Wenn dein Pferd Hungerhaare entwickelt, ist das ein klares Signal: Etwas stimmt nicht im inneren Gleichgewicht. Doch keine Sorge – mit gezielter Analyse und Anpassung kannst du viel bewirken.
1. Fütterung analysieren und optimieren
Der wichtigste Schritt ist eine kritische Überprüfung der aktuellen Ration. Dabei helfen folgende Fragen:
- Erhält dein Pferd ausreichend Energie und Eiweiß?
- Wird der Bedarf an Zink, Selen und anderen Spurenelementen gedeckt?
- Ist das Grundfutter (Heu) nährstoffreich und hygienisch einwandfrei?
Lass bei Unsicherheit ein Heuanalyse durchführen und überprüfe die Werte gemeinsam mit einem Fütterungsexperten oder Tierarzt. Ergänzend kann ein gezieltes Mineralfutter helfen – etwa mit hohem Zinkanteil oder zusätzlichen Aminosäuren.
2. Haltung und Management anpassen
Ein gestörter Fellstoffwechsel kann auch durch Stress, zu wenig Bewegung oder unpassende Haltungsbedingungen verstärkt werden. Achte auf:
- Ausreichend Bewegung, auch im Winter
- Sozialkontakt mit Artgenossen
- Schutz vor Zugluft und Nässe
- Stressarme Fütterung (kein Konkurrenzdruck, strukturreich)
3. Fellpflege – nicht nur Kosmetik
Tägliches Striegeln fördert die Durchblutung der Haut und regt den Stoffwechsel an. Vor allem im Fellwechsel lohnt sich eine gezielte Unterstützung:
- Fellwechselkur mit Kräutern oder Ölen (z. B. Leinöl)
- Verwendung von Bürsten, die die Haut sanft stimulieren
- Beobachtung von Hautirritationen, Krusten oder Schuppen
4. Tierärztliche Abklärung bei Verdacht
Wenn sich trotz Fütterungsanpassung keine Besserung zeigt oder weitere Symptome auftreten (Muskelabbau, Leistungsschwäche, Verhaltensänderung), ist ein Blutbild ratsam. Es gibt Hinweise auf:
- Nährstoffmängel (Zink, Kupfer, Eiweiß)
- Leber- oder Nierenprobleme
- Hinweise auf Cushing oder EMS
Auch andere Erkrankungen wie Ekzeme, Parasiten, Mauke, Fieber oder Cushing können das Fellbild beeinflussen – ein Blick in die entsprechenden Artikel kann hier weiterhelfen.
Prävention und langfristige Fellgesundheit
Hungerhaare lassen sich nicht nur behandeln, sondern auch gezielt verhindern – durch eine durchdachte Kombination aus Ernährung, Management und regelmäßiger Beobachtung.
Fellwechsel begleiten – eine Phase erhöhter Belastung
Der Fellwechsel ist für den Pferdekörper ein Kraftakt. In dieser Zeit steigt der Bedarf an:
- Eiweiß für die Neubildung von Haaren
- Zink und Selen für Hautstoffwechsel und Immunfunktion
- Vitamin E als Zellschutz
Unterstütze dein Pferd in dieser Phase mit hochwertigen Zusatzfuttermitteln (z. B. MicroVital®, Leinöl) und einer angepassten Fütterung. Details dazu findest du im Artikel „Fellwechsel beim Pferd“.
Regelmäßige Gesundheitschecks
Ein jährliches Blutbild, insbesondere vor oder nach dem Winter, hilft dabei, Mängel frühzeitig zu erkennen. Tierärzte empfehlen dies besonders für:
- Pferde ab 15 Jahren
- EMS- oder Cushing-Verdachtsfälle
- Pferde mit unklarer Fellstruktur oder langem Sommerfell
Auch die regelmäßige Kontrolle von Zähnen, Parasitenstatus und Leberwerten trägt zur Fellgesundheit bei.
Artgerechte Haltung als Basis
Ein stabiles Immunsystem und ein gesunder Stoffwechsel brauchen:
- Bewegung auf abwechslungsreichem Boden
- strukturreiche Fütterung, angepasst an Typ und Arbeitspensum
- Ruhephasen für Regeneration
- Stressarmes Umfeld, besonders in Gruppenhaltung
Ein Pferd, das sich wohlfühlt und bedarfsgerecht versorgt ist, entwickelt seltener Hungerhaare – und zeigt sein Gleichgewicht oft zuerst im Fell.
Schlussfolgerung: Hungerhaare als Spiegel innerer Balance
Hungerhaare beim Pferd sind weit mehr als ein kosmetisches Detail – sie zählen zu den frühesten sichtbaren Hinweisen darauf, dass im Körper deines Pferdes etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist. Ob Nährstoffmangel, Stoffwechselstörung oder suboptimale Haltungsbedingungen: Das Fell liefert wertvolle Hinweise auf den inneren Zustand. Wer diese Signale erkennt und ernst nimmt, kann rechtzeitig gegensteuern – durch angepasste Fütterung, gezielte Diagnostik und bessere Managemententscheidungen. So lässt sich nicht nur das äußere Erscheinungsbild verbessern, sondern vor allem die Gesundheit und Lebensqualität deines Pferdes nachhaltig stärken.
Hungerhaare beim Pferd: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Was ist der Unterschied zwischen Hungerhaaren und Stichelhaaren?
Hungerhaare entstehen meist durch längerfristige Mängel oder Stoffwechselstörungen und treten in Büscheln oder großflächig auf. Stichelhaare sind vereinzelte, abstehende Haare – oft bei punktuellem Mangel, z. B. Zink.
Können auch gesunde Pferde Hungerhaare bekommen?
Kurzzeitig ja – etwa bei starkem Fellwechsel oder Stress. Bleiben die Haare jedoch über Wochen bestehen, sollte eine genauere Analyse erfolgen.
Sind Hungerhaare im Fellwechsel normal?
Ein ungleichmäßiges Fell ist im Fellwechsel nicht ungewöhnlich. Hungerhaare, die nach dem Fellwechsel bestehen bleiben oder sich verstärken, sind hingegen bedenklich.
Was kann ich tun, wenn mein Pferd längeres Fell an Bauch oder Beinen hat?
Zunächst beobachten, ob das Fell weich, gleichmäßig und glänzend ist. Bei abstehenden, struppigen oder glanzlosen Bereichen sollte die Fütterung überprüft und ggf. ein Blutbild erstellt werden.
Helfen Zusatzfuttermittel gegen Hungerhaare?
Ja – vorausgesetzt, sie ergänzen gezielt das, was im aktuellen Futter fehlt. Hochwertige Zinkpräparate, Leinöl oder Aminosäuren können helfen. Wichtig ist aber immer eine fundierte Analyse vor der Gabe.