Hengstkörung: Auswahl, Kriterien und Bedeutung für die Pferdezucht

Hengstkörung: Auswahl, Kriterien und Bedeutung für die Pferdezucht

In diesem Artikel erfährst du alles rund um das Thema Körung, welche Voraussetzungen ein Hengst erfüllen muss, um für eine Körung zugelassen zu werden, wie eine solche Körung abläuft, wann ein Hengst ein positives Körurteil erhält und nach welchen Regelungen Hengste in den Zuchteinsatz gehen dürfen.

Inhaltsverzeichnis

1. Warum werden Hengste gekört?

“Hengst sein” und "Deckhengst sein" bezeichnet nicht das gleiche - der entscheidende Unterschied besteht in einem positiven Körurteil des zuständigen Zuchtverbandes und einer erfolgreich abgeschlossenen Hengstleistungsprüfung. Dies räumt dem Hengst das offizielle Privileg ein, Stuten zu decken.

Das Ziel der Sportpferdezucht besteht darin, eine stetige Verbesserung der Population zu erreichen und so die sportlichen Eigenschaften der Pferde weiter zu verbessern.

Da ein Hengst potenziell mehr Nachkommen zeugen kann als eine Stute und dadurch die Zuchtpopulation stärker beeinflussen kann, gibt es bei einer Körung deutlich mehr Kriterien und höhere Ansprüche und dadurch auch eine höhere Selektionsrate als bei einer Stutenleistungsprüfung.

2. Wie wird ein Hengst für eine Körung zugelassen und welche Voraussetzungen sind zu erfüllen?

Um als Hengst im Zuchtbuch 1 eingetragen zu werden und um offiziell im Deckeinsatz tätig zu sein, ist ein positives Körurteil vom jeweiligen Zuchtverband sowie einer darauf erfolgreich abgeschlossenen Hengstleistungsprüfung unumgänglich.

Die Körung stellt somit den ersten Meilenstein auf dem Weg zum Deckhengst-Sein dar.

Um an einer Körung teilzunehmen, müssen einige Kriterien bereits im Voraus erfüllt sein, denn zum einen muss der Hengst ein Mindestalter von zwei Jahren erreicht haben und bereits an einer Vorauswahl des jeweiligen Zuchtverbandes erfolgreich teilgenommen haben. Die jeweiligen Daten und Veranstaltungsorte werden von dem entsprechenden Zuchtverband publiziert. Bei der Vorauswahl werden die Hengste, wie auch bei der Körung, auf dem Pflaster vorgestellt und müssen ebenfalls beim Freilaufen und Freispringen ihre Qualitäten unter Beweis stellen. Stichprobenartig werden hier bereits Medikationskontrollen durchgeführt, um mögliche Dopingfälle aufzudecken. 

Außerdem wird im Zuge der Vorauswahl zusätzlich eine veterinärmedizinische Körungsuntersuchung durchgeführt, um etwaige vererbbare Krankheiten und Fehlkonstruktionen im Körpergerüst etc. festzustellen. 

3. Welche gesundheitlichen Mängel schließen einen Hengst von der Körung aus?

Diese veterinärmedizinische Untersuchung schließt bereits vor der Körung Körkandidaten aus, die für die Zucht aus bestimmten Gründen unbrauchbar wären. Ein Grund für das Ausscheiden bei der Voruntersuchung können beispielsweise Veränderungen am Hodensack des Hengstes sein. Im besten Falle sollten die Hoden des Hengstes Gänseei groß sein. Hoden, die lediglich die Größe von Hühnereiern besitzen, werden als bedenklich eingestuft (Makroorchidismus).

Es besteht für Reitpferdehengste vor der Körung die Möglichkeit, mittels einer Laboruntersuchung die Spermaqualität gemäß der Gewehrschaftsbestimmungen nachzuweisen.

Bei Kryptorchide sind beispielsweise ein- oder auch beide Hoden des Hengstes nicht im Hodensack vorhanden und somit weder tast- noch spürbar. Ein solcher Hengst wird dann als Klopphengst bezeichnet.

Es handelt sich bei Kryptorchide um eine Entwicklungsstörung, die Hoden steigen nicht wie im Normalfall in den Hodensack ab, sondern bleiben auf ihrem Weg, beginnend in der Nähe der Nieren in der Leistengegend oder in der Bauchhöhle stecken. Da Kryptorchismus vererbbar ist, schließt es den Hengst endgültig von der Körung aus.

Zusätzlich werden Röntgenaufnahmen gemacht, die zu dem Zeitpunkt der Anlieferung zur Körveranstaltung nicht älter als 3 Monate sein dürfen. Von besonderem Interesse sind hier die Zehen, die Fesselgelenke, die Sprunggelenke sowie die Kniegelenke. Für die Röntgenaufnahmen bestehen genaue Vorgaben, wie welche Gelenke zu röntgen sind. Diese sind in einem Leitfaden für die Tierärzte niedergeschrieben. 

Bei der röntgenologischen Untersuchung zeigen sich unter anderem vermutlich vererbbare Krankheiten wie Osteochondrosis dissecans, kurz OCD. Hierbei führt die unzureichende Verknöcherung eines Knorpels während des Skelettwachstums zu Absplitterungen im Gelenk (diese  werden Chips genannt). Chips können die Funktion des Gelenks beeinflussen und somit auch die Leistung des Pferdes nachhaltig beeinträchtigen. Es ist jedoch hinzuzufügen, dass nicht jeder Chip eine Beeinträchtigung des Pferdes darstellen muss.

Eine erbliche Komponente wird bei OCD stark vermutet. Die Zuchtverbände gehen mit dem Vorkommen von OCD-Befunden in den Gelenken einheitlich um. Für die Zulassung zur Körung sind bis zu drei Chips erlaubt, jedoch dürfen sich diese nicht beidseitig an den Sprunggelenken befinden, ein OCD-Befund oder eine Einkerbung am Kniegelenk schließt den Hengst ebenfalls von der Körung endgültig aus. 

Hengste mit Spat-Befund (Arthritis der Sprunggelenke) sowie mit zystoiden Defekten werden ebenfalls nicht zugelassen.

Ein Hengst ist ebenfalls nicht körfähig, wenn neurologische Befunde wie zum Beispiel offensichtliche ataxische Störungen oder Shivering vorliegen. Bei einer Ataxie ist der Bewegungsablauf des Pferdes gestört, es mangelt an Koordination. Shivering stellt eine neuromuskuläre Erkrankung dar, die sich durch Muskelspasmen und dadurch zu Krämpfen in der Hinterhand der Pferde führt. 

Die Equine rezidivierende Uveitis, also die periodische Augenentzündung, eine Kehlkopflähmung, deutliche Anzeichen des Sommerekzems, eine Fehlstellung der Hufe in Form eines Bockhufs oder ein ein Über- oder Unterbiss führen ebenfalls zur Nicht-Zulassung.

Es ist notwendig, dass Hengste mit gesundheitlichen Mängeln, die den Zuchtwert beeinträchtigen, nicht als Vererber zugelassen werden. Die Gesundheit und das Wohlbefinden der gezüchteten Ponys und Pferde stehen zu jedem Zeitpunkt an vorderster Stelle. 

Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass diese Hengste keine Karriere als Sportpferd bestreiten können.

Bei einer Fehlkonstruktion des Hodensacks oder der Hoden ist es möglich, den Hengst kastrieren zu lassen - einer Sportkarriere als Wallach steht nun nichts mehr im Wege. 

Um für mehr Transparenz zu sorgen, gibt der Holsteiner Verband seit 2020 bei der Vorstellung der Deckhengste in Katalogen und auf der Website den Röntgenstatus des jeweiligen Vererbers an. Dies soll den Züchtern bei den Gedanken zur Anpaarung mehr Aufschluss geben. Die Kategorien lauten beim Holsteiner Verband wie folgt:

  • “Exzellent” - Diese Hengste weisen keinen röntgenologischen Befunde auf.
  • “Gut” - Diese Hengste besitzen geringradige Befunde, wie beispielsweise eine kleine Randzacke oder einen Chip.
  •  “Akzeptabel” - Diese Hengste besitzen mehrere röntgenologische Befunde, wie beispielsweise mehrere OCD-Befunde, die jedoch die Zuchttauglichkeit des Hengstes nicht maßgeblich beeinflussen und einem positiven Körurteil der damaligen Körung nicht im Wege standen.

4. Wie läuft eine Körung ab?

Entspricht der Hengst den Zulassungsanforderungen, ist demnach mindestens zwei Jahre alt, hat die Vorauswahl erfolgreich abgeschlossen und weist keine, den Zuchttauglichkeit einschränkenden, Gesundheitsmängel auf, darf der Köraspirant auf der Körung vorgestellt werden. Der Equidenpass muss zur Überprüfung der Identität stets mitgeführt werden und gibt Aufschluss über die verpflichtenden Impfungen, wie Influenza und neuerdings auch Herpes. Bei der Ankunft der Hengste wird jeder Pass strikt auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft.

Ist kein adäquater Impfschutz vorhanden, wird der Hengst von der Körung ausgeschlossen, denn die Gesundheit aller anwesenden Hengste steht bei der Körung stets im Vordergrund. 

Seit 2019 ist es zusätzlich Pflicht, die Hengste auf WFFS zu testen. WFFS steht für Warmblood Fragile Foal Syndrom, das eine Erkrankung des Bindegewebes bei Warm- und Vollblütern hervorruft. Diese Fohlen sind nicht lebensfähig, ein Großteil der WFFS Trächtigkeiten endet in Aborten. Der Erbgang der Genmutation ist autosomal-rezessiv, daher bedeutet ein ein positiver WFFS Befund für einen Hengst nicht das Ausscheiden von der Körung, da Pferde mit Anlage des Warmblood Fragile Foal Syndroms mit Nicht-Trägertieren problemlos angepaart werden können und klinisch gesunde Fohlen geboren werden.

Die Anpaarung jedoch von einer Stute mit einem Hengst, die den Gendefekt in sich tragen, sollte vermieden werden, da die auslösende Genmutation zu jeweils 50 Prozent an das Fohlen an vererbt wird - somit besteht eine 25 prozentige Wahrscheinlichkeit, dass das Fohlen von WFFS betroffen, und somit nicht lebensfähig ist. Träger des Warmblood Fragile Foal Syndroms sind unter anderem die bekannten Hengst A la Carte, Don Frederico, Jovian, Edward und Londonderry.

Die Körveranstaltung erstreckt sich meist über mehrere Tage, in denen sich die Körkommission ein genaues Bild von den jeweiligen Hengsten des Jahrganges bildet und schlussendlich darüber entscheidet, welcher der Hengste ein positives Körurteil erhält, welcher den begehrten Titel des Siegerhengstes erhält und welche Hengste das begehrte Prädikat Prämienhengst tragen dürfen.

Die Körkommission besteht unter anderem aus dem Zuchtleiter des jeweiligen Verbandes und weiteren, von verschiedenen Gremien berufenen, Zuchtexperten, deren Beurteilung auf Sachkunde, Unabhängigkeit und Objektivität beruht.

Klassischerweise beginnt die Körung mit dem Vorführen der Hengste auf dem Pflaster. Im Schritt werden die Hengste einzeln an der Hand auf die Kommission zugeführt, nehmen dort kurz Aufstellung und werden anschließend wieder weggeführt. Hierbei beurteilt die Kommission zum einen die Korrektheit des Körperbaus, den Rasse- und Geschlechtstyp sowie die Qualität des Schritts. Ein geregelter Schritt zeichnet sich durch einen klaren Viertakt aus, das Pferd sollte zu jedem Zeitpunkt losgelassen, zufrieden und fleißig schreiten. Trifft dies alles zu, bilden Vorder- und Hinterbein für einen kurzen Moment ein V. 

Im Anschluss geht es auf die Dreiecksbahn- hier wird der Trab aus verschiedenen Perspektiven begutachtet. Ein korrekter Trab zeichnet sich durch einen gleichmäßigen Zweitakt aus, indem die diagonalen Beinpaare parallel abfußen sollen. Es entsteht eine kurze Schwebephase. Ein qualitativ hochwertiger Trab zeichnet sich durch den Schub aus der Hinterhand, dem schwingenden Rücken sowie durch Fleiß, Raumgriff und Losgelassenheit aus.

Für die nächste Überprüfung geht es für die Köraspiranten in die Halle - hier geht es mit dem Freilaufen und Freispringen weiter. Hier wird nun auch der Galopp beurteilt. Ein korrekter Galopp zeichnet sich durch einen gleichmäßigen Dreitakt sowie durch die klare Schwebephase aus. Die Galoppsprünge sollen “bergauf”, mit Schub aus der Hinterhand und mit Raumgriff gesprungen werden.

Nach dem Freilaufen werden die Hengste behutsam an die Freispringreihe herangeführt. Die Hindernisse werden stetig erhöht, sodass diese im letzten Durchgang eine Höhe von bis zu etwa 1,3 Meter betragen. Ausrüstungstechnisch ist es hier erlaubt, an den Vorderbeinen weiße Gamaschen zu befestigen. Beim Freispringen werden neben dem Vermögen auch die Manier der Hengste beurteilt.

Das Freispringen eignet sich sehr gut zur Überprüfung des Potentials eines Springpferdes und trägt somit stark zur Urteilsbildung bei. Besonders im Fokus stehen hier die Reflexe, die das Pferd am Sprung zeigt, die Sprungtechnik sowie die Lernfähigkeit des Hengstes - wird in einem Umlauf eine Stange touchiert, wird im nächsten Umlauf verstärkt darauf geachtet, ob der Hengst aus seinem Fehler gelernt hat oder ob er den gleichen Fehler noch einmal begeht.

Das Freispringen ist besonders bei Körungen von Springhengsten ein wahrer Publikumsmagnet - denn hier zeigt sich besonders, welche der Junghengste wahres Springtalent besitzen und welche der Pedigrees auf großen Erfolg hoffen lassen.

Gerade für Züchter ist es interessant, die Körkandidaten mit zu begutachten, um weitere Ideen für interessante Anpaarungen für  das kommende Zuchtjahr zu erhalten. Bei Körungen von Dressurhengsten ist häufig das Longieren ein weiterer Teil der Körung.

Proklamation der Siegerhengste Holsteiner Körung: Diamantado

5. Gekört, nicht gekört, prämiert, Siegerhengst

Bewertet werden die Hengste in halben Noten, damit ein Hengst als gekört gilt, muss die Gesamtnote sich auf mindestens 7,0 belaufen, es darf keine Einzelnote unter 5,0 vergeben worden sein. Das zusätzliche Prädikat “prämiert” erhält der Hengst, sobald die Gesamtnote die 7,5 erreicht. Die Hengste, die die Gesamtnote von 7,0 nicht erreichen oder mangelhafte Teilnoten im Protokoll besitzen, werden nicht gekört. Die Kommission entscheidet bei Unstimmigkeiten bei der Notenvergabe mit Hilfe von Abstimmung mit einfacher Mehrheit. Die Körergebnisse werden mündlich von der Kommission bekannt gegeben, häufig geschieht dies bei einem Schrittring in der Veranstaltungshalle.

Nach der Proklamation des Sieger- und Reservesiegerhengstes steht bei den meisten Körung die Verauktionierung der verkäuflichen Hengste an.

6. Wie geht es für einen gekörten Hengst weiter?

Wenn ein Hengst ein positives Körurteil erhält, ist der erste Meilenstein für die Zuchtkarriere gelegt. Als nächster Schritt, um in das Hengstbuch 1 eingetragen zu werden, besteht in dem erfolgreichen Ablegen einer Hengstleistungsprüfung (häufig abgekürzt als HLP). Es gibt drei verschiedene Arten von Hengstleistungsprüfungen; die 14-tägige Veranlagungsprüfung, die 50-tägige Veranlagungsprüfung und Sportprüfungen. Diese werden von der FN veranstaltet und koordiniert. Die Zuchthengstanwärter werden disziplinspezifisch beurteilt, erreicht der Hengst eine Gesamtnote von mindestens 7,8, gilt die Hengstleistungsprüfung als bestanden. Der Hengst darf nun offiziell in der Zucht eingesetzt werden.

7. Wie geht es für einen nicht gekörten Hengst weiter?

Für nicht gekörte Hengste gibt es bei einer Nachkörung die Möglichkeit, die Fähigkeiten und Qualitäten der Kommission erneut unter Beweis zu stellen. Diese findet frühestens drei Monate nach der Hauptkörung statt, die Termine werden vom jeweiligen Verband entsprechend veröffentlicht. Es ist zudem möglich, eine Hofkörung bei dem jeweiligen Verband anzufordern, die Kosten sind hier jedoch wesentlich höher.

Häufig entscheiden sich die Besitzer der nicht gekörten Hengste für den Weg in eine Sportkarriere.

8. Kosten einer Körung für den Hengsthalter

An einer Körung teilzunehmen, ist nicht günstig. Die Teilnahmegebühr an der Vorauswahl beläuft sich je Zuchtverband auf bis zu 150€, zuzüglich der Körgebühr die je nach Zuchtverband zwischen 250€ und 750€ schwankt, die spätere Eintragung ins das Hengstbuch 1 beläuft sich auf weitere 300€ - 500€. Zusätzlich muss der Aussteller des Hengstes Mitglied im jeweiligen Zuchtverband sein, diese kostet jährlich ca. zwischen 70€ und 100€.

Eine Hofkörung kostet pro Hengst im Durchschnitt 1500€, exklusive Fahrtkosten der Körkommission.

Autor*in
Sina SchubertKlinikenMehr VON CMH.TV

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