Kreuzverschlag beim Pferd: Wenn Muskelkater den Tierarzt erforderlich macht

Kreuzverschlag beim Pferd: Wenn Muskelkater den Tierarzt erforderlich macht

Plötzliche Bewegungsunlust, brettharte Rückenmuskeln, dunkel verfärbter Urin – das sind klare Anzeichen für einen Kreuzverschlag. Bei dieser akuten Muskelentzündung ist sofortiges Handeln erforderlich, denn je nach Härtegrad kann sie auch im Tod des Pferdes enden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein Kreuzverschlag beim Pferd?

Jeder Pferdemensch hat mindestens einmal vom Kreuzverschlag, Kreuzschlag, Nierenschlag oder auch Lumbago gehört. Im Volksmund hat sich auch der Begriff Feiertagskrankheit etabliert, da ein Kreuzverschlag beim Pferd vor allem während starker Belastung nach Stehtagen auftreten kann. Früher waren vor allem Arbeitspferde davon betroffen, wenn sie nach dem Wochenende am Montag zurück an die Arbeit mussten (daher der englische Name Monday Morning Disease).

Bei einem Kreuzverschlag handelt es sich um eine Entzündung der Rückenmuskulatur, die nach außen hin einem schweren Muskelkater gleicht. Bei einem akuten Kreuzverschlag hat das Pferd starke Schmerzen und Krämpfe, die Muskulatur im Rücken- und Nierenbereich ist bretthart und das Pferd will sich nicht mehr bewegen.

Einzuordnen ist der Kreuzverschlag bei den Belastungsmyopathien, also den Muskelerkrankungen, die durch körperliche Betätigung entstehen. Doch bei einem Kreuzverschlag steckt mehr dahinter, wie wir nachfolgend betrachten werden. Weiterhin lässt er sich in zwei Hauptformen unterteilen: es gibt den sporadisch auftretenden Kreuzverschlag und die chronische, genetische Erkrankung, die auch PSSM Typ I und II genannt wird.

Symptome - woran erkenne ich einen Kreuzverschlag beim Pferd?

Trat der Kreuzverschlag früher vor allem bei Arbeitspferden wie Wagenpferden oder Grubenponys auf, sind heute vor allem gut trainierte Sportpferde davon betroffen. Schauen wir auf den akut auftretenden Kreuzverschlag, dann tritt dieser plötzlich zu Beginn der körperlichen Belastung nach einer längeren Ruheperiode auf.

Das Haupterkennungsmerkmal bei einem Kreuzverschlag ist ein unwilliges Pferd, dass sich nicht mehr bewegen möchte bzw. unter seinen krampfenden Muskeln nicht mehr bewegen kann. Es bleibt sägebockartig stehen.

Wann und wie intensiv die Symptome auftreten, hängt von der Schwere des Krankheitsverlaufs ab. Die Symptome unterscheiden sich je nach mildem, moderatem und schwerem Krankheitsverlauf:

Kreuzverschlag mit mildem Verlauf:

  • Symptome treten nach weniger als 10 Minuten nach Belastungsbeginn auf
  • Unruhe
  • Steifer, klämmiger Gang
  • Vor allem Hinterhand steif und lahm
  • Urin ist strohgelb

Kreuzverschlag mit moderatem Verlauf:

  • Symptome treten zwischen 15 und 30 Minuten nach Belastungsbeginn auf
  • Pferd bleibt stehen, wird unwillig sich zu bewegen
  • Pferd beginnt zu schwitzen
  • Die Rücken- und Nierenmuskulatur krampft
  • Manche Pferde knicken mit der Hinterhand weg
  • Der Urin ist orange bis hellbraun

Kreuzverschlag mit schwerem Verlauf:

  • Symptome treten zwischen 30 und 60 Minuten nach Belastungsbeginn auf
  • Das Pferd ist unfähig sich zu bewegen
  • Das Pferd drückt den Rücken weg und spreizt die Beine sägebockartig nach vorne und hinten raus.
  • Die Hinterhand bewegt sich nur unkontrolliert
  • Liegt das Pferd, liegt es fest
  • Starkes Schwitzen, Fieber und Herzrasen
  • Durch den starken Flüssigkeitsverlust kommt es zu Muskelkrämpfen mit kolikähnlichem Verhalten
  • Die Rückenmuskulatur ist bretthart
  • Urin ist braun bis sogar schwarz

Im schlimmsten Fall liegt das Pferd fest und kann aufgrund der Muskelkrämpfe nicht mehr aufstehen. Unbehandelt kann das Pferd so dem Tod erliegen. Auch kann es durch eine verstopfte Niere an Organversagen sterben.

Ursachen eines Kreuzverschlags – Wie kommt ein Kreuzverschlag zustande?

Der Kreuzverschlag beim Pferd gehört zu den Belastungsmyopathien, hat aber anders als das Ty-up-Syndrom seine Ursache im Stoffwechsel verankert. Er ist also vielmehr eine Stoffwechselstörung: Werden dem Pferd zu viele Kohlenhydrate zugeführt, die zu Glykogen abgebaut nicht vom Pferd verwertet werden können, sammeln sich diese übermäßig in den Muskeln an. Zu viel Glykogen in den Muskeln verhindert den Sauerstofftransport und damit den Abtransport von Abfallprodukten und Giftstoffen. Durch dieses sauer werdende Milieu erhöht sich der Laktatanteil in den Muskelzellen. Ein heftiger Muskelkater entsteht, der bis zum Platzen der Muskelzellen führt.

Durch die beschädigten Muskelzellen wird Myoglobin (Muskelfarbstoff) freigesetzt, das ins Blut und in den Urin übergeht und schließlich den Urin verfärbt. Je mehr Muskelzellen absterben, also je schwerer der Krankheitsverlauf ist, desto dunkler der Urin.

Wie kommt es zustande, dass das Pferd zu viel Glykogen in den Muskelzellen hat? Wird die Futtermenge an den Stehtagen, beispielsweise am Wochenende, nicht reduziert, wird die Energie nicht benötigt. Sie richtet daher mehr Schaden an, als dass sie nützlich ist. Die Ursache für einen akuten Kreuzverschlag liegt also in einem mangelnden Bewegungs-, Haltungs- und Fütterungsmanagement.

Hinweisbox Tipp
Ty-up-Syndrom vs. Kreuzverschlag
Während sich der Kreuzverschlag und das Ty-up-Syndrom dieselben Symptome teilen, ist die Ursache dennoch eine andere. Das Ty-up-Syndrom tritt nach einer intensiven Trainings- oder Arbeitseinheit auf, wenn das Pferd komplett erschöpft ist und alle Reserven in seinen Muskeln aufgebraucht sind. Es hat dann keine Energie mehr, seine Muskeln zu entspannen. Daher verkrampfen sie, das Pferd erleidet Zuckungen und kann sich in der Folge auch nicht mehr selbstständig bewegen.

Der Unterschied zwischen einem Kreuzverschlag und anderen Equinen Myopathien

Der akute, sporadische Kreuzverschlag (SER) entsteht durch ein extremes Missverhältnis zwischen Fütterung und Bewegung und kommt vor allem bei Pferden mit guter Muskulatur vor.

Weiterhin gibt es noch den wiederkehrenden belastungsbedingten Kreuzverschlag (RER) und die genetisch bedingte Kohlenhydratspeichererkrankung / Polysacharide Storage Myopathy (PSSM):

Tritt ein Kreuzverschlag vermehrt auf, kann es sich um einen belastungsbedingten Kreuzverschlag (RER) handeln. Dieser kommt vermehrt bei Stuten und Vollblütern, hier vor allem Rennpferden, vor. Durch übermäßigen Stress (beispielsweise starke äußere Reize oder Pferderennen) kann das in der Muskelarbeit freigesetzte Kalzium nicht mehr abtransportiert werden. Es folgen die Symptome wie beim sporadischen Kreuzverschlag. 

Das PSSM ist eine Stoffwechselerkrankung, die vor allem amerikanische, stark bemuskelte Pferderassen wie das Quarter Horse betrifft. PSSM Typ I ist genetisch bedingt und kann mittels Haartest festgestellt werden. Hat das Pferd PSSM, speichert es Energie in Form von Vielfachzuckern, die größer sind als das benötigte Glykogen, und es kann diese nicht korrekt verarbeiten. Wie auch beim Kreuzverschlag leiden die Pferde bei Belastung unter Muskelschmerzen, sie laufen vor allem zu Beginn der Bewegung steif. Pferde mit PSSM benötigen daher eine besonders lange Aufwärmphase, bis die Muskeln locker werden.

Bei PSSM Typ II (neuerdings MIM: Muskel-Integritäts-Myopathie) handelt es sich nicht um eine eigenständige Erkrankung, sondern vielmehr um den Sammelbegriff aller nicht eindeutig einzuordnenden Belastungsmyopathien.

Erste Hilfe bei akutem Kreuzverschlag

Regel Nummer 1 bei Kreuzverschlag: Das Pferd auf keinen Fall weiterbewegen! Jede weitere Bewegung und Beanspruchung der Muskulatur kann den Krankheitsverlauf weiter verschlimmern. Das Pferd sollte maximal zurück in seine Box geführt werden. Ist man auf einem Ausritt und das Pferd will sich nicht mehr bewegen, sollte es mit einem Anhänger zurück zum Stall gebracht werden.

Der Tierarzt muss umgehend gerufen werden, denn je nach Schwere der Erkrankung kann jede Minute zählen. Dieser kann dann entzündungshemmende, schmerzlindernde und krampflösende Medikamente verabreichen.

Während des Wartens auf den Tierarzt und wenn das Pferd nicht gerade überhitzt, kann eine wärmende Abschwitzdecke die Rücken- und Kruppenpartie warmhalten und damit die Muskeln entkrampfen. Auch eine Massage kann die Schmerzen lindern.

Hinweisbox
No-Gos beim Kreuzverschlag:
X Abwarten und schauen, ob es sich um einen Notfall handelt. Ein absolutes Nein! Will sich das Pferd von jetzt auf gleich nicht mehr bewegen und krampft es offensichtlich, ist umgehend der Tierarzt zu rufen. Unbehandelt kann ein Kreuzverschlag tödlich enden. Es ist daher schnelles Handeln erforderlich – in jedem Fall.
X Das schwitzende Pferd mit kaltem Wasser abspritzen. Auch wenn es dazu lockt, das schwitzende und pumpende Pferd mit Wasser abkühlen zu wollen: Die Kälte führt zu noch stärkeren Krämpfen und sich zusammenziehenden Muskeln. Tupfe den Schweiß besser mit einem Tuch ab.
X Medikamente ohne Absprache des Tierarztes geben. Die Nieren sind bei einem Kreuzverschlag bereits überlastet oder gar geschädigt. Jedes falsch oder unnötig verabreichte Medikament kann die Niere noch weiter schädigen. Überlass die Medikamentengabe besser dem Tierarzt (auch, was krampflösende Mittel anbelangt).
Im Video Erste Hilfe I: Notfalltipps bei Verletzungen & Lahmheiten erklären wir dir ab Min 7:30 die erste Hilfe Maßnahmen zum Kreuzverschlag beim Pferd und wie du dein Pferd unterstützen kannst

Diagnose und Behandlung durch den Tierarzt

Den Kreuzverschlag kann der Tierarzt mit einem Bluttest feststellen. Hierbei schaut er auf die Menge des Enzyms Kreatinkinase. Dieses Enzym wird bei der Zerstörung der Muskeln freigesetzt bzw. aktiviert. Die Höhe des Werts gibt also Aufschluss über die Ernsthaftigkeit der Erkrankung. Der Normalwert sollte bei < 130 U/l liegen.

Schwitzt und uriniert das Pferd sehr viel, verliert es Flüssigkeit mit wertvollen Elektrolyten. Um eine Dehydrierung zu vermeiden und um die Muskeln zu entspannen, kann der Tierarzt dem Pferd eine Infusion mit Elektrolyten, krampflösenden, entzündungshemmenden und durchblutungsfördernden Medikamente verabreichen. Hin und wieder kann auch Kalzium notwendig sein, was für die Reizübertragung der Muskeln entscheidend ist.

Je nach Härtefall des Kreuzverschlags kann alles nach wenigen Stunden vorbei sein oder das Pferd muss sich über mehrere Wochen erholen. Zieht sich die Erkrankung bzw. Erholung hin, wird nach zwei Wochen ein erneuter Bluttest vorgenommen, um die Werte zu überprüfen.

Anschließend kann das Pferd nach genauer Anweisung des Tierarztes langsam im Schritt geführt werden. Ein zu langes Stehen ist nämlich Gift fürs Pferd und kann bei Wiederaufnahme des Trainings einen erneuten Kreuzverschlag auslösen.

Die Heilungsphase kann mit Wärme, warmen Wickeln und Massagen gefördert werden. Das schafft Linderung, fördert die Durchblutung und damit den Abtransport von Abfallprodukten.

Prognose – hat mein Pferd bei einem Kreuzverschlag gute Chancen?

Wird der Kreuzverschlag frühzeitig erkannt und sofort behandelt, stehen die Chancen gut, dass sich das Pferd davon erholen wird. Schlechter stehen die Prognosen allerdings für Pferde, die sich in ihren Krämpfen hinlegen und dann festliegen. In schweren Verläufen kann sich das Pferd also totliegen oder an Nierenversagen sterben.

Tritt ein Kreuzverschlag immer wieder auf, kann es zu einer nachhaltigen Störung des Stoffwechsels kommen.

Reagiere also bereits bei Verdacht sofort und rufe unmittelbar deinen Tierarzt an.

Mit Fütterung, Bewegung und Trainingsplan einem Kreuzverschlag vorbeugen

Sporadischen, akuten Kreuzverschlägen kommt man am besten durch korrektes Training zuvor:

  • Vermeide brutale Übergänge zwischen Ruhe und Belastung
  • Achte auf ausreichendes Auf- und Abwärmen
  • Behalte eine Routine bei, vermeide Stress durch ständig wechselnde Routinen oder Umgebungswechsel
  • Vermeide lange Boxenzeiten
  • Passe die Fütterung dem Bedarf an
  • Vermeide eine Unterkühlung der Rückenmuskeln.

Zur Vorbeugung eines Kreuzverschlags bietet sich also die Erstellung eines Trainingsplans an. Dieser hilft, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ruhe und Belastung zu schaffen und das Training regelmäßig und gleichmäßig zu gestalten. Zusätzlich solltest du die aktuelle Haltung deines Pferdes analysieren. Regelmäßige, tägliche freie Bewegung in Offenstallhaltungen mit Weidegängen sind für die Gesundheit des Pferdes ausschlaggebend.

Dabei spielt die Leistungsdiagnostik eine zentrale Rolle. Wie du erfahren kannst, wie fit dein Pferd ist, schau dir das Video zur Leistungsdiagnostik in unsere ClipMyHorse.TV Academy an:

Steht dein Pferd bereits im Offenstall, kann das Eindecken bei kalt-nassem, windigem Wetter sinnvoll sein. Denn verkrampfte Muskeln durch Unterkühlung können ebenfalls Auslöser für einen Kreuzverschlag sein. Achte ebenso nach dem Training darauf, dass das nachgeschwitzte Pferd eine windabweisende und schnelltrocknende Abschwitzdecke bekommt, bis es vollständig abgetrocknet ist.

Harte Rationsänderungen und Überfütterung an Energie, Stärke und Zucker tragen maßgeblich zu einem Kreuzverschlag bei. Insbesondere an Stehtagen sollte die Futtermenge reduziert bzw. auf Stehfutter zurückgegriffen werden, das weniger Stärke und Zucker enthält. Auch kann das Ersetzen der Kohlenhydrate durch Fette und Öle hilfreich sein.

Ergänzend kann die Gabe von Selen und Vitamin E sinnvoll sein, da diese den Muskel vor oxidativem Stress schützen. Kläre dies allerdings zuvor mit dem Tierarzt ab, da beides überdosiert werden kann.

FAQs – häufig gestellte Fragen zum Kreuzverschlag

Warum verfärbt sich der Urin beim Kreuzverschlag braun?

Mit dem Urin werden Abfallprodukte und Giftstoffe über die Niere ausgeschieden. Kommt es zu einem Kreuzverschlag mit moderatem oder schweren Verlauf, sterben Muskelzellen ab. Der Muskelfarbstoff Myoglobin wird freigesetzt und gelangt übers Blut zur Niere und wird ausgeschieden. Je mehr Muskelzellen absterben, desto mehr Myoglobin wird freigesetzt bzw. ausgeschieden und desto dunkler verfärbt sich der Urin.

Wie lange dauert ein Kreuzverschlag?

Wie schnell ein Kreuzverschlag vorübergeht bzw. wie lange die Bewegungspause sein sollte, hängt von der Schwere der Erkrankung ab. In leichten Fällen hat das Pferd bereits nach wenigen Stunden die Krankheit überstanden. In anderen Fällen kann es bis zu zwei Monate dauern, bis sich die Blutwerte in ihren Normalbereich zurückbewegt haben.

Wie lange sollte die Pause nach einem Kreuzverschlag sein?

Bei einem Kreuzverschlag sollte man sich auf das Wort des Tierarztes verlassen und sich daran halten. Um die Schwere des Krankheitsverlaufs festzustellen, macht der Tierarzt einen Bluttest, um den Anteil an Kreatinkinase festzustellen. Das Pferd sollte nach einem Kreuzverschlag erst wieder belastet werden, wenn sich die Blutwerte normalisiert haben. Der Grenzwert für das Enzym Kreatinkinase liegt bei < 130 U/l.

Ist ein Kreuzverschlag fürs Pferd tödlich?

Unbehandelt kann ein Kreuzverschlag tödlich sein, beispielsweise wenn das Pferd festliegt und durch die versteiften Muskeln nicht mehr aufstehen kann. Ein weiterer Grund für einen möglichen Tod kann eine verstopfte und erschöpfte Niere sein, die ein Organversagen auslöst.

Muss ein Pferd mit Kreuzverschlag eingeschläfert werden?

Nicht jeder Kreuzverschlag verläuft derart schwer, dass das Pferd erlöst werden muss. Bei schneller Behandlung hat das Pferd in der Regel gute Chancen. Doch in schweren Fällen kann es sein, dass der Tierarzt die Entscheidung trifft, das Pferd einzuschläfern.

Einem Kreuzverschlag und damit einer Not-Euthanasie kann am besten durch regelmäßige und gleichmäßige Bewegung wie auch eine an das Bewegungspensum angepasste Pferdefütterung vorgebeugt werden.

Autor*in
Mirjam-Sophie FreigangKlinikenMehr VON CMH.TV

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