Mag mein Pferd mich? Pferden Vertrauen und Sicherheit geben
Vertrauen ist der Schlüssel zu einer harmonischen Partnerschaft mit deinem Pferd. Erfahre, wie du durch Verständnis des natürlichen Pferdeverhaltens, gezielte Bodenarbeit und bewusste Körpersprache Vertrauen aufbaust. Lerne die Zeichen eines vertrauensvollen Pferdes zu erkennen und vermeide typische Fehler, um die Bindung zu stärken.
Inhaltsverzeichnis
Warum ist Vertrauen des Pferdes zu mir wichtig?
Vertrauen ist alles. Ohne Vertrauen des Pferdes gibt es keine Partnerschaft, keine Sicherheit und kein motiviertes Pferd. Die Vertrauensbeziehung zwischen Mensch und Pferd ist die Basis für eine harmonische Partnerschaft. Dafür muss man aber erst einmal das natürliche Pferdeverhalten verstehen.
Es liegt in der Natur des Pferdes, Sicherheit im Herdenverband zu suchen. Diese Sicherheit bedeutet, sein Leben den anderen Pferden anzuvertrauen. Als Fluchttier ist der Herdenverband überlebensnotwendig und damit auch die Rangordnung, die innerhalb der Gruppe besteht. Das Pferd wird auch in der Beziehung zum Mensch nach dieser Sicherheit suchen. Wird es seinen Platz im Zweiergespann nicht finden, fehlt ihm der sichere Anker und das Vertrauen, dass der Mensch gut für es sorgen kann. Der Ausgang: ein unharmonischer Umgang, der von Unruhe und Missverständnissen überschattet ist.
Das wird vor allem bei unsicheren, rangniedrigen Pferden zu einem Problem: Haben sie niemanden, der ihnen Sicherheit vermittelt, kann der Umgang schnell gefährlich werden. Es wird selbst gucken, wo es bleibt. Die Folge können ängstliche, durchgehende Pferde sein, weil die Sicherheits- und Vertrauensbasis zwischen Mensch und Pferd fehlt.
Ohne Vertrauen des Pferdes wird es keine Partnerschaft geben. Ein Pferd, dass seinem Menschen nicht vertraut, wird nicht in den Hänger steigen, wird sich auf der Koppel nicht einfangen lassen, wird im Gelände durchgehen, weil es nicht darin vertraut, dass sein Mensch die Situation unter Kontrolle hat. Also ergreift es lieber die Flucht, anstatt bei seinem Zweibeiner Schutz zu suchen.
Es muss nicht immer unbedingt eine unbekannte Situation im Gelände sein. Es kann auch passieren, dass sich dein Pferd im Offenstall so stark verletzt, dass es nur vor Ort behandelt werden kann. Der Weg bis in eine Box ist nicht möglich. Dann sollte dir dein Pferd vertrauen, dass du über es wachst, während der Tierarzt Röntgengeräte und sonstige Hilfsmittel um es aufbaut.
Wie auch in der Natur kann man sich dieses Vertrauen nicht durch Leckerli oder Streicheleinheiten erschleichen. Auch wird man nicht das Vertrauen des Pferdes gewinnen, indem man es durch Dominanz zur Unterwerfung zwingt. Durch diese beiden Wege hat man entweder kurzfristig die Aufmerksamkeit des Pferdes erlangt oder es eingeschüchtert. Aber das Vertrauen hat man dadurch nicht erreicht. Vertrauen kann nicht erzwungen oder erpresst werden – es kann nur gewonnen werden.
Anzeichen, dass das Pferd mir vertraut
Pferde selbst nehmen kleinste Körpersignale, Muskelanspannungen und Stimmungen ihres Gegenübers wahr. Sie reagieren auf die Körpersprache des anderen 1:1 – einem Signal folgt die Reaktion. Das erfolgt in kleinen und großen Zeichen der Körpersprache, die uns ebenfalls sagen, ob das Pferd uns vertraut. Diese Körpersignale müssen jedoch in Kontext der jeweiligen Situation gebracht werden. Denn die Umstände geben den Zeichen erst ihre wahre Bedeutung. Ein Wiehern nach dem Menschen muss nicht immer Freude auf sein Kommen als Partner bedeuten. Es kann auch bedeuten, dass sich das Pferd freut, endlich aus seinem langweiligen Paddock oder der unharmonischen Herde gerettet zu werden.
Pferde zeigen ihr Vertrauen zum Menschen (und zu anderen Pferden) auf vielfältige Weise durch innere und äußere Verbundenheit. Eine sehr starke Bindung zwischen Mensch und Pferd macht sich durch das Angleichen des Herz- und Atemrhythmus‘ deutlich. Bei Pferden untereinander zeigt es sich, dass ein Pferd den Kopf hebt, weil es Gefahr wittert. Die anderen tun es ihm gleich. Sieht eines der Pferde die Gefahr gebannt und widmet sich wieder dem Grasen, werden auch die anderen den Kopf senken und weiterfressen.
Ein Pferd, das dem Menschen vertraut, lässt seine Nähe zu und kann in seiner Nähe entspannen. Anzeichen dafür, dass sich das Pferd entspannt, können sein:
- Gesenkter Kopf
- (halb-)geschlossene Augen
- Hängende Unterlippe
- Nach vorne oder zur Seite geöffnete Ohren, ruhighaltende Ohren
- Gähnen, Lecken, Kauen
- Angewinkeltes Hinterbein
Es hat damit kein Unbehagen, wenn der Mensch es überall anfasst und es streichelt. Das Pferd wird freiwillig und gerne mit dem Menschen ins Gelände gehen, ohne dass die Gesellschaft eines anderen Pferdes nötig wäre. Das Überwinden von neuartigen Situationen oder potenziellen Gefahren meistert das Pferd im Beisein seiner Vertrauensperson, wie zum Beispiel das Laufen über eine hallende Brücke, das Steigen in den Hänger oder das Vorbeilaufen an einer Kuhherde. In Entscheidungsfragen wird sich das Pferd dem Menschen zuwenden, um Hilfe zu erbitten.
Bedenke, dass es immer abhängig von Charakter und Persönlichkeit des Pferdes ist, wie stark diese und mehr Anzeichen des Vertrauens gezeigt werden. Introvertierte Pferde artikulieren sich subtiler als extrovertierte Pferde und nicht immer müssen alle Anzeichen bestehen, um zu beweisen, dass eine Vertrauensbeziehung zwischen Mensch und Pferd besteht.
Auch muss zwischen den Rassen und dem Alter der Pferde unterschieden werden. Manchen Pferderassen wird ein starkes Nervenkostüm nachgesagt. Ebenso kann die Lebenserfahrung zur Gelassenheit beitragen, weshalb diesen Pferden weniger Sicherheit durch den Menschen vermittelt werden muss. Dadurch kann es sein, dass diese Pferde ihr Vertrauen zum Menschen weniger stark nach außen tragen.
Wie gewinne ich das Vertrauen meines Pferdes?
Wir haben gelernt, dass das Pferd von Natur aus die Sicherheit im Herdenverband sucht. Diese Sicherheit müssen wir ihm als Mensch geben, damit es zu einer Bindung und Vertrauensbasis kommt. Um das zu erreichen, muss man zuerst an sich selbst arbeiten, sich selbst reflektieren und verstehen, was einen kompetenten, fairen Herdenchef ausmacht, dem sich das Pferd freiwillig und gerne anschließt.
Es geht dabei nicht um den Kampf und die Verteidigung der Machtposition, sondern um Kompetenz. Der Herdenchef wird ernannt, er verleiht sich nicht selbst den Titel. Und das muss man dem Pferd auch vermitteln: Man muss der Mensch werden, den das Pferd als seinen Chef kört und dessen Kompetenz nicht in Frage stellt.
Erster Schritt im Vertrauen gewinnen des Pferdes: Werde ein kompetenter Chef
Vertrauen ist vor allem in heiklen Situationen, in denen das Pferd am liebsten die Flucht ergreifen möchte, am wichtigsten. Man muss also der Ruhepol werden, der für das Pferd einen Anker darstellt, an den es sich krallen kann.
Wer von seinem Pferd als Leittier angesehen werden möchte, der muss zwei grundsätzliche Dinge mitbringen: Selbstsicherheit und Kompetenz. Die Balance zu finden kann anfangs schwer sein, denn es ist ein schmaler Grat zwischen Selbstüberschätzung und Selbstzweifel. Man braucht sowohl das Gefühl der Selbstsicherheit, etwas packen zu können, als auch die Fähigkeit (Kompetenz) durch Erfahrung. Das selbstsichere Gefühl muss mit Wissen und Können untermauert werden und das kommt mit der Zeit. Man kann nicht über Nacht ein guter Herdenchef werden. Mit Erfahrung erlangt man diese Eigenschaften und die Bindung zwischen Pferd und Mensch wächst.
Weiterhin sollte man an seiner eigenen Körpersprache arbeiten. Das Pferd nimmt feinste Muskelspannungen wahr. Denn die ausgestrahlten Energien übertragen sich auf das Pferd. Man muss das Körperbewusstsein schulen und selbstreflektiert sein, um Selbstsicherheit auszustrahlen, die ein unsicheres Pferd braucht.
Ein weiterer wichtiger Punkt in Sachen Sicherheit vermitteln, ist die Umgebung im Blick zu haben. Das Umfeld muss durch die Augen eines Fluchttieres betrachtet werden, damit man mögliche Gefahren vor dem Pferd erkennen kann. Nur dann kann man sich auf eine mögliche Fluchtreaktion des Pferdes vorbereiten und bereits eine entspannte Haltung einnehmen. So wird das Pferd erkennen, dass du die Situation unter Kontrolle hast und keine Gefahr besteht, die zur Flucht auffordert.
Zweiter Schritt im Vertrauen gewinnen des Pferdes: Körpersprache des Pferdes verstehen lernen
Nicht nur die eigene Körpersprache ist wichtig, man muss auch die Körpersprache des Pferdes verstehen und lesen lernen. Und hier kommt es häufig zu Missverständnissen zwischen Mensch und Pferd, weil die Signale vom Menschen falsch gedeutet werden. Nur wer sein Pferd richtig liest, kann auf seine Befindlichkeiten eingehen und ihm entgegenkommen, wenn es sich unsicher fühlt.
Pferde sind sehr detailversessen und lesen jede einzelne Muskelanspannung unseres Körpers. Wollen wir für sie ein vertrauenserweckender Chef sein, müssen wir es den Pferden gleichtun und ihren Körper genau untersuchen. Auch hier gilt wieder die Umgebung und den Umstand mit den Körpersignalen in Zusammenhang bringen. Beispielsweise kann ein Pferd mit hängenden Ohren und halb geschlossenen Augen einerseits müde sein und dösen oder, wenn es sich in einer Trainingssituation befindet, aus Überforderung dicht machen. Wer das Vertrauen seines Pferdes gewinnen möchte, der muss die Körpersprache der Pferde lesen lernen.
Beide Schritte – sich selbst reflektieren und das Pferd richtig lesen – bilden die Basis für einen vertrauensvollen Umgang mit dem Pferd. Es gehört einiges an Erfahrung dazu, an der man wachsen kann. Der lange Weg lohnt sich, wenn das Pferd einem die Führungsrolle übergibt, weil es sich in sicheren Händen weiß.
Wichtiger Punkt in Sachen Vertrauen des Pferdes gewinnen: Klare Regeln und Grenzen setzen
Klare Regeln und Grenzen geben beiden Parteien Sicherheit. Dazu gehört eine ganze Portion Disziplin, was vor allem zu Anfang für manchen Pferdebesitzer schwierig sein kann. Unter Pferden gibt es eine gewisse Dynamik, das heißt, dass nicht immer die Leitstute den Ton angibt. Hin und wieder wird ein jüngeres, rangniedriges Pferd kurzfristig die Führung zum besten Gras übernehmen. Das macht das Jungpferd allerdings noch lange nicht zum Leittier. In dieser Dynamik gibt es Grenzen.
Genauso muss man es in der Mensch-Pferd-Partnerschaft sehen: In gewissen Situationen kann es gut sein, die Führung an das Pferd abzutreten. Beispielsweise im Gelände, wenn man dem Pferd den besten Weg für sich suchen lassen möchte. Die Grenzen dieser Entscheidungsfreiheit legt dennoch der Mensch fest. Und diese muss man dem Pferd klar kommunizieren, wenn es an ihnen kratzt.
Versteht das Pferd, dass diese Grenzen festbestehen, die Regeln immer gleich und nicht schwammig sind, sind die Positionen in der Partnerschaft klar verteilt. Das Pferd kennt seinen Platz und nimmt ihn gerne an. Das ist für einen vertrauensvollen Umgang essentiell.
Ein guter Chef setzt höflich Grenzen, lobt aber auch sehr viel. Innerhalb der gesetzten Limits hat das Pferd Mitspracherecht, was wiederum den Respekt dem Pferd gegenüber zum Ausdruck bringt und damit das Vertrauen fördert.
Welches Training bietet sich für die Vertrauensarbeit mit dem Pferd an?
Es sind nicht zwingend spezielle Techniken zur Vertrauensbildung bei Pferden notwendig. Es ist viel mehr der tägliche Umgang, der von klaren Regeln und gegenseitigem Respekt geprägt ist. Dennoch kann besonders in der Kennlernzeit nach dem Pferdekauf, wenn sich das Mensch-Pferd-Paar erst finden muss, viel Bodenarbeit helfen. Sie ist der Grundstein für sowohl einen vertrauensvollen Umgang als auch sicheres Reiten.
Weiterhin kann die Vertrauensbasis zwischen Mensch und Pferd durch folgende Übungen oder Trainingsformen erreicht werden:
- Führtraining: das Pferd auf derselben Höhe laufen lassen, anhalten, antreten, abwenden, ohne am Strick zu ziehen. Wer bewegt wen?
- Arbeit im Roundpen: Zum Beispiel Joinup oder das Pferd ohne Longe bewegen
- Gelassenheitstraining/ Desensibilisierung
- Spazierengehen
Besonders wichtig ist immer GANZ VIEL LOB. Um ein Pferd motiviert zu halten, muss es wissen, wann es etwas richtig gemacht hat. Allein Grenzen ziehen reicht nicht aus. Das wird das Pferd früher oder später frustrieren und die Freude am Menschen verlieren. Vertrauen ade. Beim Loben muss die Reaktionszeit beachtet werden. Pferde verknüpfen Signale nur miteinander, wenn sie innerhalb von drei Sekunden aufeinander folgen. Hat das Pferd etwas richtig gemacht, muss sofort das Lob kommen.
Erinnerung: Streicheleinheiten und Leckerli schaffen kein Vertrauen zum Pferd. Allerdings können sie im Training korrekt eingesetzt die Kommunikation intensivieren und ein gewünschtes Verhalten bestärken. Und mit einer besseren Kommunikation wird auch die Bindung zwischen Mensch und Pferd gestärkt.
10 Tipps, um das Vertrauen des Pferdes zu gewinnen
- Die Körpersprache ist der Schlüssel zum Vertrauen: Mit aufrechter, entspannter Haltung und ruhiger Atmung das Pferd anleiten. Wer sich selbstbewusst und selbstsicher fühlt, der zeigt das auch in einem sicheren Auftreten, was sich auf das Pferd überträgt.
- Dem Pferd Vertrauen entgegenbringen: Wer Vertrauen verlangt, muss selbst Vertrauen entgegenbringen. Wie in der Herde jeder seine Aufgabe hat, so hat auch das Pferd seinen Aufgabenbereich im Zweiergespann. Man muss es ihm nur zutrauen, dass es diese Aufgabe auch gut macht.
- Die Persönlichkeit des Pferdes im Blick haben: Ein guter Chef verlangt nur das von seinen Mitarbeitern, was sie von ihren Fähigkeiten und ihrem Charakter her am besten können. Wer das Vertrauen seines Pferdes gewinnen möchte, sollte daher auch nur das von seinem Pferd verlangen, was es auch leisten kann. Wie leicht sich ein Pferd dem Menschen unterordnet, kann auch von seinem Rang in der Pferdegruppe abhängen: rangniedrige Pferde ordnen sich eventuell leichter unter als ranghöhere Pferde.
- Fair, klar und konsequent: Das Pferd muss sich darauf verlassen können, dass man in derselben Situation immer gleich reagiert.
- Einfühlsamkeit und Zeit: Wer Zeit für sein Pferd mitbringt, zeigt ihm Respekt und Wertschätzung. Das wird das Pferd ebenfalls wertschätzen.
- Qualitätszeit: Die Bindung zum Pferd wird gestärkt, wenn man gemeinsame Zeit fördert, beispielsweise beim Grasenlassen oder Putzen. Dann lernt das Pferd, sich in der Nähe des Menschen zu entspannen.
- Die richtige Begrüßung: Die Bindung beginnt bei der Ankunft im Stall. Wer das Pferd richtig begrüßt, indem man ihm die Hand hinstreckt, damit es daran schnuppern kann, der stärkt die Verbindung und legt eine gute Vertrauensbasis.
- Gegenseitige Fellpflege: Pferde pflegen ihre Freundschaften durch gegenseitige Fellpflege. Diese Bindung kann man auch als Mensch zu seinem Vierbeiner stärken, indem man die Lieblingsstelle des Pferdes krault.
- Wer bewegt wen? Sowohl Mensch als auch Pferd haben ihre persönlichen Bereiche, in die sie nur enge Freunde hereinlassen. Drängt das Pferd ungefragt in den persönlichen Bereich seines Zweibeiners, testet es seine Grenzen aus. Um sich gegenüber dem Pferd als Chef zu positionieren, helfen Übungen an der Longe: Das Pferd sollte über Köpersignale antreten, bevor man selbst einen Schritt tut. Bei Handwechseln durch die Zirkelmitte sollte man seinen Standpunkt verteidigen, nicht ausweichen. Damit erkennt das Pferd, wer die Führungsposition innehat, ohne dass auf irgendeine Art Gewalt oder Dominanz zum Einsatz kommen.
- Das Nein des Pferdes akzeptieren: Hin und wieder möchte das Pferd aus dem Dialog heraustreten oder ihm ist eine Übung zu unangenehm. Dann muss man sein Nein akzeptieren und zu einer anderen Übung übergehen. Damit zeigt man dem Pferd, dass man auf seine Bedürfnisse einzugehen weiß. Das Pferd fühlt sich respektiert, was eine gute Basis für den Vertrauensaufbau ist.
Dem Pferd beim Reiten mehr Sicherheit und Vertrauen geben
Bodenarbeit geht als Basis dem Reiten voraus. Vom Boden hat man bereits das Vertrauen des Pferdes gewonnen, nun gilt es dies in den Sattel zu übertragen.
Auch unter dem Sattel testen viele Pferde gerne die Kompetenz des Reiters aus. Oder das Pferd wird im Gelände durch ein Hindernis verunsichert und man muss ihm nun vom Sattel aus Sicherheit vermitteln. Wer allerdings bereits an sich gearbeitet hat und seinen Körper bewusst einsetzen kann, der kann auch im Sattel der nötige Ruhepol für das Pferd sein:
- Der Sitz bleibt entspannt
- Tief einsitzen durch entspannte Gesäßmuskeln. Man sitzt im Pferd, nicht auf dem Pferd.
- Die Beine bleiben locker und beweglich
- Die Knie werden nicht zusammengepresst, die Hände halten sich nicht am Zügel fest
- Tief in den Bauch einatmen.
Ist man selbst entspannt, kann man dem Pferd eine große Portion Angst nehmen und ihm Mut machen. Durch einen entspannten, losgelassenen Sitz schenkt man dem Pferd auch in heiklen Situationen die Sicherheit, die es von einem Leittier erwartet. Wer sich selbst festmacht, macht auch das Pferd fest und gibt ihm das Signal zum Durchstarten.
Wie du in aufregenden Situationen, wie das Reiten vor Zuschauen, seinem Pferd vertrauen Schenken kann, erklärt Christoph Hess im folgenden Video:
Unsicheren Pferden im Parcours Sicherheit geben:
Nicht nur im Gelände, vor allem im Parcours macht sich die Unsicherheit mancher Pferde bemerkbar. Diese Unsicherheit kann unterschiedliche Ursachen haben: Vielleicht hat ein erfahrenes Springpferd einen Sturz gehabt und das Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten verloren. Oder ein junges Springpferd steht früh in seiner Ausbildung und muss erst noch Erfahrungen sammeln, um sicher durch den Parcours zu reiten.
Im ersten Fall ist es wichtig, den Grund für die plötzliche Unsicherheit zu finden. Der Grund könnte nämlich auch in Schmerzen des Pferdes liegen. Mit Pferden, die ihr Selbstvertrauen im Parcours verloren haben, sollte man zuerst dressurmäßig arbeiten, bis Takt, Rhythmus und Rittigkeit wieder stimmen. Denn Mängel in der Dressur lassen sich im Springparcours nicht kaschieren. Anschließend können Bodenstangen und Cavaletti hinzugenommen werden. Fühlt sich das Pferd sicher, können die Sprünge größer werden.
Ähnlich geht man bei der Ausbildung junger, unerfahrener Springpferde um. Wichtig ist, dass die Pferde lernen, sich durch eine gute Galoppade selbstzutragen. Der Reiter gibt die Richtung und das Tempo an, doch das Pferd sollte das Herz für das Springen haben. Nur so lassen sich Unfälle vermeiden. Bevor die Sprünge angehoben werden oder sogar in eine höhere Klasse eingestiegen wird, sollten sowohl Reiter als auch Pferd Sicherheit in der bisherigen Klasse haben. Die Routine schafft Sicherheit.
Wie du einem jungen Springpferden Sicherheit am Sprung geben kannst erfährst du in folgendem Video:
Pferde, die auf den Sprung zustürmen, können ebenfalls unsicher sein. Bei ihnen fehlt die Durchlässigkeit. Sie reißen sozusagen das Steuer an sich und wollen den Sprung ohne ihren Reiter bewältigen. Hier sollte man das Pferd zuerst dressurmäßig arbeiten, mit den Hindernissen im Sichtfeld, bis es locker und entspannt alle Hilfen annimmt. Das Pferd sollte sich beim Anblick der Hindernisse nicht verspannen oder die Hilfen des Reiters ignorieren. Ist diese Phase überstanden, können auch hier zuerst Bodenstangen hinzugenommen werden. Man beginnt langsam mit der Trabarbeit und später mit Galopp. So tastet man sich Schritt für Schritt an die richtigen Hindernisse heran.
Wichtig ist außerdem, dass der Reiter selbst nicht ans Springen denkt, solange das Pferd dressurmäßig gearbeitet wird. Denn die Gedanken übertragen sich auf die Grundspannung des Körpers und schließlich auf das Pferd. Wer seinem Pferd die Sicherheit vermitteln möchte, dass er es gut durch den Parcours leiten kann, der sollte an seiner inneren Einstellung arbeiten.
Häufiges Verweigern ist ebenfalls ein Anzeichen von Unsicherheit und fehlendem Vertrauen zu sowohl sich selbst als auch zum Reiter. Oder das Pferd lässt sich von der Unsicherheit des Reiters anstecken. Wie auch bei den bereits beschriebenen Fällen müssen hier die Anforderungen heruntergeschraubt werden. Mit niedrigen Hindernissen und Springgymnastik lernen Pferd und Reiter, ihre Fähigkeiten einzuschätzen und ihr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen wiedergewinnen. Mit der Routine von gut überwundenen Sprüngen wächst das Selbstbewusstsein und die Sicherheit, sodass man sich nach und nach an höhere Hindernisse heranwagen kann.
Auch der Einsatz eines erfahrenen, selbstsicheren Führpferdes kann hilfreich sein.
Ganz wichtig, um das Vertrauen des Pferdes nicht noch weiter zu schädigen, ist, seine Unsicherheit nicht zu betrafen. Stattdessen wird das Pferd nach einem gemachten Sprung überschwänglich gelobt.
Ein strukturierter Trainingsplan hilft, den Überblick über Fortschritte zu behalten. Er gibt außerdem dem Reiter ein Sicherheitsgefühl. Mehr zur Jungpferdeausbildung und Erstellung von Trainingsplänen liest du in den entsprechenden Artikeln.
Häufige Fehler, die es beim Vertrauensaufbau zum Pferd zu vermeiden gilt
- Überforderung bei sich selbst und beim Pferd hervorrufen
- Inkonsistentes Verhalten: Eine ungenaue Körpersprache und unterschiedliche Signale für ein und dieselbe Forderung verwirren das Pferd und machen es unsicher.
- Den Fehler zuerst beim Pferd suchen: Pferde reagieren 1:1 auf die Signale, die sie erreichen. Sie spiegeln den Menschen wider, der mit ihnen arbeitet. Daher wäre es fatal für die Bindung zwischen Pferd und Mensch, wenn das Pferd für eine an sich richtige Reaktion auf ein Signal bestraft wird, das der Mensch falsch gesendet hat.
- Leckerlis inflationär einsetzen: Leckerlis als Bestechung, um das Pferd für sich zu gewinnen, ist kontraproduktiv. Wer Leckerlis nicht zielgebunden einsetzt, entwickelt sich in den Augen des Pferdes zu einem Futterautomaten, aber nicht zu einem respektablen Herdenchef.
- Zorn und Wutausbrüche: Einem Tyrann ordnet sich ein Pferd nicht unter. Wer sein Pferd durch übertriebenes, unkontrolliertes und nicht spezifisches Verhalten bestraft, zerstört die Bindung zu ihm.
- Dominanz und Unterwerfung: Man kann das Pferd vielleicht einschüchtern und es zum Gehorsam zwingen. Aber in einer heiklen Situation wird es eher die Flucht ergreifen und seinen Zweibeiner alleine stehen lassen, anstatt ihm beizustehen. Denn Dominanz und Unterwerfung baut keine Bindung zwischen Mensch und Pferd auf.