
Anämie beim Pferd: Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlung
Anämie beim Pferd – also Blutarmut – ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein wichtiges Warnsignal. Sie kann harmlose Ursachen haben, aber auch auf ernsthafte Erkrankungen hindeuten. In diesem Artikel erfährst du, wie du Anämie erkennst, welche Auslöser in Frage kommen, wie sie behandelt wird – und wie du dein Pferd schützen kannst.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Anämie beim Pferd?
Anämie beim Pferd, auch als Blutarmut bezeichnet, beschreibt einen Zustand, in dem das Blut zu wenig rote Blutkörperchen oder zu wenig Hämoglobin enthält – den Farbstoff, der für den Sauerstofftransport im Körper zuständig ist. Dadurch wird die Sauerstoffversorgung der Organe und Muskeln beeinträchtigt, was zu Leistungsschwäche, Müdigkeit und blassen Schleimhäuten führen kann.
Abgrenzung zur Equinen Infektiösen Anämie (EIA)
Wichtig ist: Anämie ist keine Diagnose, sondern ein Symptom – mit vielen möglichen Ursachen. Eine dieser Ursachen ist die Equine Infektiöse Anämie (EIA), eine ansteckende, virale Blutkrankheit. Während EIA meldepflichtig und unheilbar ist, sind die meisten anderen Formen der Anämie nicht ansteckend und gut behandelbar – etwa bei Eisenmangel, Parasitenbefall oder Fütterungsfehlern.
Warum Anämie kein eigenständiges Krankheitsbild ist
Anämie ist also immer ein Hinweis auf ein zugrunde liegendes Problem. Sie kann durch akute oder chronische Erkrankungen, Verletzungen oder Nährstoffmangel entstehen. Ziel der Diagnostik ist es daher nicht nur, die Blutarmut festzustellen, sondern vor allem die Ursache zu finden und gezielt zu behandeln.
Ursachen: Was kann Anämie beim Pferd auslösen?
Die möglichen Auslöser für eine Anämie beim Pferd sind vielfältig – und reichen von ernährungsbedingten Mängeln bis hin zu schweren systemischen Erkrankungen. Eine sorgfältige Diagnose ist entscheidend, um die richtige Behandlung einzuleiten.
1. Eisenmangel
Ein häufiger Verdacht bei Blutarmut ist Eisenmangel. Zwar ist Eisen für die Blutbildung essenziell – doch beim Pferd ist ein echter Eisenmangel selten die alleinige Ursache. Viel häufiger liegt eine gestörte Eisenverwertung vor, etwa durch Entzündungen.
2. Blutverlust
Akuter oder chronischer Blutverlust ist eine der naheliegendsten Ursachen:
- Verletzungen oder Operationen
- Magengeschwüre
- Darmblutungen (z. B. durch Parasiten)
- Stuten: Blutverlust nach Geburt oder bei Gebärmutterproblemen
3. Parasiten
Starker Befall mit blutsaugenden Magen-Darm-Würmern wie Strongyliden kann zu schleichender Anämie führen – vor allem bei Jungtieren oder ungepflegtem Entwurmungsmanagement.
4. Chronische Entzündungen und Infektionen
Langwierige Infektionen, entzündliche Gelenk- oder Atemwegserkrankungen oder Tumore können die Blutbildung hemmen oder den Abbau roter Blutkörperchen beschleunigen. Die sogenannte „Anämie chronischer Erkrankung“ ist dabei nicht auf Eisenmangel zurückzuführen.
5. Toxine und Medikamente
Bestimmte Gifte (z. B. Pflanzen wie Jakobskreuzkraut) oder Medikamente (z. B. einige Schmerzmittel, Antibiotika) können das Knochenmark schädigen oder den Zerfall roter Blutkörperchen verursachen.
6. Autoimmunerkrankungen
In seltenen Fällen bildet der Pferdekörper Antikörper gegen seine eigenen roten Blutkörperchen – eine sogenannte autoimmune hämolytische Anämie, oft ausgelöst durch Infektionen, Impfungen oder Medikamente.
7. Stoffwechsel- und Nierenprobleme
Chronische Leber- oder Nierenerkrankungen können die Blutbildung beeinträchtigen – ebenso wie Mangelzustände durch Fütterungsfehler.
Symptome: Woran erkenne ich eine Anämie beim Pferd?
Die Anzeichen einer Anämie beim Pferd sind oft unspezifisch – und werden daher leicht übersehen oder anderen Ursachen zugeschrieben. Umso wichtiger ist es, auf subtile Veränderungen im Verhalten und in der körperlichen Verfassung des Pferdes zu achten.
Häufige Symptome bei Blutarmut:
- Blasse Schleimhäute
(z. B. an Augenlidern, Maulschleimhaut, Genitalien) - Mattigkeit und schnelle Ermüdung
– das Pferd wirkt müde, antriebslos, „nicht bei sich“ - Leistungsabfall
– besonders bei Belastung oder im Training auffällig - Kurzatmigkeit und erhöhter Puls
- Appetitlosigkeit oder Futterverweigerung
- Schwitzen bei geringer Anstrengung
- Schwankender Gang, leichte Ataxie (in schweren Fällen)
- Ödeme an Beinen oder Unterbauch (selten)
Leichte vs. schwere Anämie
Nicht jede Anämie ist dramatisch. Bei einem milden Verlauf zeigen Pferde oft nur eine reduzierte Leistungsbereitschaft. Erst bei einem stärkeren Abfall des Hämoglobinwertes oder schneller Entwicklung treten deutlichere Symptome auf.
Abgrenzung zu ähnlichen Krankheitsbildern
Da viele Symptome auch bei anderen Erkrankungen vorkommen (z. B. Herzprobleme, Infekte, Stoffwechselstörungen), sollte immer ein tierärztlicher Check inklusive Blutbild durchgeführt werden. Nur so lässt sich Anämie sicher erkennen und differenzieren.
Diagnose: Wie wird Anämie beim Pferd festgestellt?
Eine sichere Diagnose ist der Schlüssel zur erfolgreichen Behandlung – denn Anämie ist nur das Symptom, nicht die Ursache. Neben einer gründlichen klinischen Untersuchung liefert vor allem das Blutbild entscheidende Hinweise.
Blutbild: Die wichtigsten Parameter
Ein großes Blutbild zeigt typische Veränderungen bei einer Anämie:
- Hämoglobin (Hb) – der Sauerstoffträger im Blut
- Hämatokrit (Hkt) – Anteil der roten Blutkörperchen am Gesamtblutvolumen
- Erythrozytenzahl (RBC) – Menge der roten Blutkörperchen
- Retikulozyten – junge, noch unreife rote Blutkörperchen (zeigen, ob das Knochenmark reagiert)
- MCV, MCH, MCHC – geben Aufschluss über Zellgröße und -gehalt
- Leukozyten – Hinweise auf Infektionen oder Entzündungen
- Thrombozyten – wichtig für die Blutgerinnung
Differenzialdiagnose: Der Ursache auf der Spur
Je nach Befund müssen weitere Untersuchungen durchgeführt werden, z. B.:
- Serum-Eisen, Ferritin, Transferrin → Abklärung eines Eisenmangels
- Kotuntersuchung → Parasitenbefall nachweisen
- Ultraschall / Endoskopie → innere Blutungen erkennen
- Knochenmarkdiagnostik (in seltenen Fällen)
Ein erfahrener Tierarzt wird das Gesamtbild bewerten und entscheiden, ob eine regenerative (mit Retikulozytenzunahme) oder nicht-regenerative Anämie vorliegt – und daraus Rückschlüsse auf die Ursache ziehen.
Behandlung: Was tun bei Anämie beim Pferd?
Die Behandlung einer Anämie richtet sich immer nach der Ursache. Während manche Fälle mit einer einfachen Futterumstellung lösbar sind, erfordern andere eine gezielte medikamentöse oder veterinärmedizinische Intervention.
1. Ernährung anpassen – bei Mangelzuständen
Wenn Eisenmangel, Vitamin-B12- oder Kupferdefizite festgestellt werden, kann die gezielte Supplementierung helfen. Möglich sind z. B.:
- Eisenpräparate (z. B. Eisen(III)-hydroxid, Eisen-Dextran)
- Vitamin B12 und Folsäure zur Unterstützung der Blutbildung
- Kupfer- und Zinkpräparate, falls Mangel diagnostiziert
- Blutbildstärkende Kräutermischungen (mit Brennnessel, Hagebutte, Spirulina etc.)
👉 Was füttern bei Anämie beim Pferd?
Eine ausgewogene, mineralstoffreiche Ration ist essenziell. Ergänzungsfutter sollte nicht „auf Verdacht“, sondern zielgerichtet nach Blutbild eingesetzt werden.

2. Parasiten bekämpfen – bei Wurmbefall
Starker Befall mit Strongyliden oder Bandwürmern kann eine chronische Blutarmut verursachen. In diesem Fall hilft eine gezielte Entwurmung, ggf. in Kombination mit Kotprobenkontrolle und Entzündungshemmung.
3. Entzündungen oder Infektionen behandeln
Liegt eine Anämie bei chronischer Entzündung vor (z. B. durch Bronchitis, Gelenkentzündung, Abszesse), muss die Grunderkrankung behandelt werden. Hier kommen entzündungshemmende Medikamente oder ggf. Antibiotika zum Einsatz.
4. Blutverlust stoppen – bei akuten Fällen
Nach Operationen, Geburten oder inneren Verletzungen gilt: Blutung stillen, Kreislauf stabilisieren, ggf. Bluttransfusion. Diese sind selten, können aber lebensrettend sein.
5. Begleitende Maßnahmen
- Schonung und reduziertes Training
- Gute Futterverwertung durch kleine, häufige Rationen
- Stressvermeidung und angepasste Haltung
- Evtl. physiotherapeutische Unterstützung
6. Homöopathie und alternative Ansätze
👉 Anämie beim Pferd homöopathisch behandeln?
In milderen Fällen werden Präparate wie Ferrum phosphoricum, China D6 oder Silicea eingesetzt. Sie ersetzen jedoch keine fundierte Diagnostik – und sind als Ergänzung, nicht als Therapie zu verstehen.
Prognose und Verlauf
Die Heilungschancen bei Anämie hängen maßgeblich von der Ursache, dem Schweregrad und der Schnelligkeit der Behandlung ab. Viele Pferde mit milder oder moderater Blutarmut erholen sich vollständig – andere benötigen eine langfristige Betreuung oder zeigen bleibende Leistungseinbußen.
Wann ist Anämie reversibel?
In den meisten Fällen ist Anämie gut behandelbar, wenn:
- ein klarer Mangelzustand (z. B. Eisen oder Vitamin B12) vorliegt,
- ein Parasitenbefall erfolgreich bekämpft wird oder
- die zugrunde liegende Erkrankung gezielt therapierbar ist (z. B. Infektion, Entzündung).
Bereits nach wenigen Wochen kann sich das Blutbild wieder normalisieren – vorausgesetzt, die Ursache wurde konsequent beseitigt.
Risiken bei unbehandelter oder chronischer Anämie
Bleibt eine Anämie unbehandelt oder wird sie chronisch, drohen:
- Dauerhafte Leistungsschwäche
- Organschäden durch Sauerstoffmangel
- Infektanfälligkeit durch Immunschwäche
- In schweren Fällen: Herz-Kreislauf-Versagen
Eine nicht-regenerative Anämie, bei der das Knochenmark keine neuen Blutzellen mehr bildet, ist prognostisch deutlich ungünstiger und oft Ausdruck schwerwiegender Grunderkrankungen.
Management und Training: Was ist zu beachten?
Während der Regeneration sollten betroffene Pferde:
- Schonung und langsames Aufbautraining erhalten
- Zugang zu hochwertigem Futter mit guter Bioverfügbarkeit haben
- Regelmäßig kontrolliert werden (Blutbild, Gewicht, Allgemeinverfassung)
Je nach Ursache kann auch eine längerfristige Anpassung der Haltungsbedingungen sinnvoll sein – z. B. stressfreies Herdenmanagement oder Parasitenmonitoring.
Prävention: So schützt du dein Pferd vor Blutarmut
Die beste Therapie ist die Vorbeugung – das gilt auch bei Anämie. Durch konsequentes Management, regelmäßige Kontrollen und eine ausgewogene Ernährung lässt sich das Risiko deutlich senken.
1. Regelmäßige Blutbilder
Frühzeitig erkannt, lässt sich eine Anämie oft problemlos behandeln. Deshalb empfehlen viele Tierärzte:
- Blutbild mindestens einmal jährlich
- Zusätzliche Tests bei: Leistungsabfall, Gewichtsverlust, Futterumstellung, Stallwechsel
2. Parasitenmanagement optimieren
Ein modernes, selektives Entwurmungskonzept hilft, blutsaugende Parasiten unter Kontrolle zu halten. Dazu gehören:
- Kotprobenanalyse (z. B. alle 3–6 Monate)
- gezielte Entwurmung nach Befund, nicht nach Kalender
- Weidehygiene (z. B. regelmäßiges Abäppeln)
3. Fütterung anpassen
Eine bedarfsorientierte Mineralstoff- und Spurenelementversorgung ist essenziell. Achte auf:
- Ausgewogene Energie- und Eiweißzufuhr
- Gutes Raufutter mit ausreichender Struktur
- Ergänzungen nur nach Blutbild oder Fütterungsanalyse
- Bei Risikopferden: gezielte Eisen-, Kupfer- oder Vitaminpräparate
4. Infektionen frühzeitig erkennen
Anämie kann Folge chronischer Entzündungen oder Infektionen sein. Deshalb:
- Husten, Lahmheit, Fieber oder Leistungsabfall nicht ignorieren
- Tierärztlich abklären lassen – auch bei subtilen Veränderungen
5. Nach Operationen und Geburten genau beobachten
Nach größeren Eingriffen oder Geburten sollte besonders auf Anzeichen von Blutverlust geachtet werden. Frühzeitige Kontrolle kann Komplikationen verhindern.
FAQ: Häufige Fragen zur Anämie beim Pferd
Was sind die häufigsten Ursachen für Anämie beim Pferd?
Anämie kann durch Eisenmangel, Parasitenbefall, Blutverlust, chronische Entzündungen oder Stoffwechselstörungen entstehen. Auch Infektionen oder Medikamente können das Blutbild beeinflussen.
Wie erkenne ich eine Anämie beim Pferd?
Typische Anzeichen sind blasse Schleimhäute, Leistungsabfall, Schwäche, schnelles Ermüden und manchmal Ödeme. Eine sichere Diagnose ist jedoch nur per Blutbild möglich.
Was tun bei leichter Anämie beim Pferd?
Bei milder Ausprägung genügt oft eine angepasste Fütterung, gezielte Supplementierung (z. B. Eisen, B-Vitamine) und parasitenfreier Status. Eine tierärztliche Abklärung ist trotzdem ratsam.
Welche Blutwerte sind bei Anämie auffällig?
Wichtige Parameter sind Hämoglobin, Hämatokrit, Erythrozytenzahl und ggf. Retikulozyten. Auch Eisenwerte, Entzündungsmarker und Leukozytenzahl werden beurteilt.
Was gibt man einem Pferd mit Blutarmut?
Je nach Ursache: Eisenpräparate, Kupfer, Vitamin B12, Kräutermischungen, hochwertiges Raufutter und mineralstoffreiche Konzentrate. Ergänzungen sollten zielgerichtet nach Blutbild erfolgen.
Kann Anämie beim Pferd auch psychisch bedingt sein?
Nicht direkt – aber Stress, chronische Belastung oder Haltungsprobleme können das Immunsystem schwächen und indirekt eine Rolle spielen.
Wie lange dauert die Erholung bei Anämie?
Je nach Ursache kann eine Regeneration innerhalb von 2–8 Wochen erfolgen – vorausgesetzt, die Therapie greift. Bei chronischen Ursachen dauert es entsprechend länger.
Ist Anämie beim Pferd heilbar?
Ja – wenn die Ursache erkannt und beseitigt wird. Unbehandelt oder bei irreversiblen Grunderkrankungen kann Anämie jedoch chronisch werden.